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joberlin

Posted on 21.7.2022

Die Inspiration zu diesem äußerst gelungenem Romandebut hat die New Yorker Schriftstellerin Amanda Lee Koe durch Alfred Eisenstaedts Fotos vom Berliner Presseball 1928 erhalten. Zu sehen sind drei junge Frauen – Marlene Dietrich, Anna May Wong, Leni Riefenstahl - Pionierinnen der ebenso jungen Filmbranche, selbstbewusst und gut gelaunt blicken sie in die Kamera. Die Autorin folgt dem Aufstreben ihrer Stars vom ersten Glitzern, zum hellen Schein und bis zum letzten Glimmen ihrer Strahlen. Dabei ist der Roman nicht stringent chronologisch aufgebaut. Wie bei wechselnden Kameraeinstellungen ändert Koe den Blickwinkel, wir sehen zum Beispiel die junge Leni beim Dreh in den Bergen, die alte Marlene im Apartment in Paris, Anna May Wong bei Presseterminen zur Vorbereitung ihrer drei in Babelsberg produzierten Filme. Das wechselnde Szenarium lässt sich leicht mitverfolgen - Amanda Lee Koe schreibt so gut, die Übersetzung von Zoë Beck trägt zur flüssigen Lesbarkeit bei. Die Autorin mischt Fakten mit Fiktion, vielleicht um andere, eigene Betonungen zu setzen und sich von den vielen, bereits veröffentlichten Biografien zu unterscheiden. So arbeitet sie beispielsweise die Person einer Pflegerin der alten Marlene Dietrich recht episch aus, aus meiner Sicht wäre das nicht nötig gewesen, die drei Sterne leuchten auch ohne Extras. Allerdings beschwert die Autorin den Roman durch ihr Hinzutun nicht, alles ist stimmig und so gut in Konstrukt, Stil und Inhalt. Die für mich interessantes „Takes“ waren Walter Benjamins Interview mit Anna May Wong und – zwar bekannt, aber ganz exzellent geschrieben – seine verzweifelte Flucht vor der Verfolgung des Nazi-Regimes. Es ist überhaupt bemerkenswert, dass eine amerikanische Autorin sich so detailreich mit diesen doch sehr deutschen Themen / Künstlern befasst. Fazit: Das Buch gehört für mich zu den absoluten Top-Romanen des Jahres 2022. Große Leseempfehlung!

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