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naraya

Posted on 21.3.2021

Es gibt diese Bücher, da weiß man nach dem Lesen sofort, was man in die zugehörige Rezension schreiben wird. Was man gut fand, was weniger gut und wie man es formulieren wird. Und dann gibt es „Komplett Gänsehaut“ von Sophie Passmann. Gekauft habe ich ihr Buch, weil ich die Autorin einfach mag. Ihre Art, Dinge auszusprechen, ihren Ton, ihr ganzes Auftreten, ihr Engagement – und ehrlich gesagt hat der gelbe Buchschnitt der Erstausgabe auch eine Rolle gespielt. Wie Sophie Passmann das wohl fände? Ziemlich bürgerlich wohl, aber vielleicht auch ein wenig verständlich. Ihr neues Buch ist ein 173 Seiten langer „Rant“, wie man so schön sagt, eine Schimpftirade also und worüber? Über sich selbst und das Leben, das sie führt. Ein Leben, so langweilig und bürgerlich, voller pseudo-intellektueller Diskussionen in schäbigen Küchen bei einem Gläschen Grauburgunder. Mit einem Freundeskreis, den man irgendwie verabscheut, aber auch liebt, denn eigentlich ist man sich doch ziemlich ähnlich. Als Leser*in findet man das zwar amüsant, aber auf eine Art auch ganz schön undankbar. „Darf die das?“, fragt man sich. Mit 27 Jahren so schreiben, als hätte sie allein die Wahrheit des Lebens begriffen und die Gesellschaft in all ihren Facetten durchschaut. So privilegiert sein, sich dessen bewusst sein und das gleichzeitig so herabwürdigen. Natürlich darf sie das! Und manchmal ist das unheimlich komisch und so auf den Punkt, dass man sich nach dem ersten Schmunzeln ein wenig ertappt fühlt. Manches ist aber auch so bemüht, so künstlich überhöht – als wüsste Sophie Passmann ganz genau, was man von ihr hören will. (Und vermutlich weiß sie das auch.) „Komplett Gänsehaut“ ist kein Roman und keine Biografie, sondern ein einziger langer innerer Monolog, ein „stream of consciousness“, wie man es früher im Deutschunterricht nannte. Jeder Satz fühlt sich so an, als sei er für Social Media geschrieben: provokant, gut zitierbar, aber leider eben auch wahr. Und man fragt sich unweigerlich: Ist das ehrlich gemeint oder einfach nur gute Selbstinszenierung? Ich habe keine Antwort darauf, aber dennoch mochte ich das Buch irgendwie – und irgendwie auch nicht.

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