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stefanb

Posted on 21.10.2020

Bereits das Cover lässt die Stille erahnen, welche in dem Werk von Don DeLillo vorherrschen sollte, jedoch haben die Charaktere in diesem Buch einen enormen Redebedarf. Die Welt im Ausnahmezustand – und jeder geht damit anders um, hat sein Ventil, um diese neuartige Konfrontation zu bewältigen. „Die Stille“ ist ein Werk, welches polarisieren wird. Vieles wirkt sehr diffus. Ein perfektes Beispiel dazu liefert der Autor selbst: „Halbsätze, nackte Wörter, Wiederholungen. Diane hätte das gern als eine Art ritualistischen einstimmigen Cantus planus gesehen, aber dann sagte sie sich, Prätentiöser Unsinn.“ [27] Auf der anderen Seite sind da wirklich schöne, philosophische Überlegungen, die perfekt zum Status quo passen. Das ist schon sehr durchdacht. „Je fortgeschrittener, desto verletzlicher. Unsere Überwachungssysteme, unsere Geräte zur Gesichtserkennung, unser Bildauflösung. Woher wissen wir, wer wir sind?“ [34] Das Buch möchte sehr viel – und das auf wenigen Seiten. Eine richtige Auseinandersetzung mit dem Thema der Stille findet nicht statt. Ich hatte das Gefühl, dass lediglich die Spitze eines Eisbergs betrachtet wurde und manches, hier am Beispiel Corona nur aufgrund der aktuellen Lage mit einem Satz erwähnt wurde. „Das Virus, die Seuche, Corona, die Märsche durch die Flughäfen, die Masken, die entleerten Straßen der Städte.“ [44 f.] Die Charaktere wirken auf mich sehr kopflos. So agieren sie auch. Das spiegelt sich im Handeln und in den unklar, verworren und nicht leicht zu durchschauenden Monologen wieder, auch wenn sie mit anderen reden. „Was geschieht auf den Straßen? Was ist da draußen? Wer ist da draußen? (…) Zehn Jahre in Amerikanischer Eiche gelagert (…) Was ist mit deinen Schuhen passiert?“ [49] Mir ist das Ganze zu wenig, zu konstruiert. Und nach einem Flugzeugabsturz, Platzwunde am Kopf, schiebt man eine Nummer, nur um sich die Wartezeit im Krankenhaus zu verkürzen? Nein, so kann Don DeLillo mich nicht begeistern.

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