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nina 🌸

Posted on 28.9.2020

Eine beklemmende und mitreißende Geschichte über die Abgründe des Menschlichen und die Anfänge des Terrorismus. Zur Geschichte: Der Einstieg in die Geschichte fiel mir schwerer als sonst. Für gewöhnlich können mich die Werke von Antonia Michaelis auf Anhieb fesseln, hier war es anders. Ich habe einige Zeit gebraucht, um in die Geschichte reinzukommen, was unter anderem an den verwirrenden Sicht- und Zeitenwechseln lag, aber dann konnte sie mich fesseln und mitreißen. Antonia Michaelis spricht in diesem Roman ein sehr ernstes und schwieriges Thema an, nämlich Terrorismus und Gewalt. Ein Junge konvertiert zum Islam und wird Teil des IS. Dieses Buch ist definitiv keine leichte Kost und nur schwer zu verdauen, aber es hat auch viel Tiefe und stimmt nachdenklich. Die Geschichte ist beklemmend, aber auch unheimlich faszinierend und erschreckend realistisch. Es geht um die Abgründe des menschlichen Seins und um das Gute wie Böse in unserer Natur. Sind manche Menschen von Grund auf Böse? Wie wird man böse? Die Beschreibungen der verschiedenen Menschen und ihrer persönlichen Lebensumstände sind der Autorin sehr gut gelungen. Ich bekam einen detaillierten Einblick in eine neue, andere Welt, die sich so stark von meiner unterscheidet. Man erfährt auch einiges über den IS, dessen Ausbildung und die Beweggründe der Menschen, Teil dieser radikalen Organisation zu werden. Auf mich haben diese Schilderungen authentisch und glaubwürdig gewirkt. Ich fand es sehr interessant und aufschlussreich, mich mal intensiv mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und kann jedem*jeder nur dazu raten, es mir gleich zu tun. Die Geschichte ist spannend und wird auf einnehmende Art und Weise erzählt. Gerade der große Showdown gegen Ende konnte mich wahnsinnig fesseln und mitreißen. Zwischenzeitlich gab es immer mal wieder ein paar Längen, da der rote Faden durch die ausführlichen Beschreibungen und die ständigen Rückblenden etwas verloren ging, langweilig war es aber dennoch nie. Das Ende hat mir gut gefallen und passt meiner Meinung nach perfekt zu dieser Geschichte, auch wenn es mich fassungslos zurücklässt. An mancher Stelle hätte ich mir etwas mehr und stärkere Emotionen gewünscht, um mich noch besser in die Charaktere einfühlen zu können, andererseits passen diese partielle Emotionslosigkeit und Kälte wiederum auch sehr gut zur Thematik und verstärken die bedrückende Stimmung der Geschichte. Cliff's innere Zerrissenheit wurde in meinen Augen besonders authentisch dargestellt. Einerseits konnte ich ihn verstehen, dann aber auch wieder überhaupt nicht. Er trägt einen inneren Kampf mit sich aus, in dem er zum einen nach Freiheit strebt und endlich er selbst sein möchte und zum anderen aber auch gegen ebendiesen Teil seiner Persönlichkeit ankämpft. Sein innerer Zwist hat mich fasziniert und mit ihm leiden lassen. Zu den Charakteren: Die Geschichte wird in einem unübersichtlichen Wechsel aus der Sicht von Cliff, Alain und Margarete erzählt, mal in der ersten und mal in der dritten Person Singular. Etwas mehr Struktur hätte das Lesen sicherlich erleichtert. Antonia Michaelis hat sehr unterschiedliche Charaktere erschaffen, die gemeinsam jedoch eine perfekte Einheit bilden und gut ausgearbeitet wurden. Sie sind vielschichtig und facettenreich und wirken lebensecht und authentisch. Alle drei Protagonisten haben Tiefe und individuelle Persönlichkeiten mit Stärken und Schwächen. Alain und Cliff sind künstlerisch begabt und drücken sich über ihre Malerei und ihre Zeichnungen aus. Während Alain wohlbehütet aufwächst, durchlebt Cliff eine schwierige Kindheit und gerät infolgedessen auf die schiefe Bahn. Alain ist sensibel, fürsorglich und herzensgut. Cliff kämpft gegen das Böse in sich an, bis es schließlich doch Überhand nimmt und ihn zu überwältigen droht. Margarete ist die Stimme der Vernuft dieser Truppe. Wie Alain ist sie wohlbehütet aufgewachsen und hat Eltern, die sich um sie sorgen. Margarete ist bodenständig, klug und pragmatisch. Die Beziehung der Charaktere zueinander ist einzigartig und faszinierend. Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen und besonderen Freundschaft. Zum Schreibstil: Antonia Michaelis' Schreibstil ist etwas ganz Besonderes und begeistert mich immer wieder aufs Neue. Sie schreibt eindringlich, ausdrucksstark und auf beklemmende Art und Weise erstaunlich realitätsnah. Sie erzählt ihre Geschichte einnehmend und fesselnd und verwendet dabei viele Symbole. Ihr Schreibstil ist bildhaft, malerisch und poetisch angehaucht. In ihren Worten liegt unheimlich viel Tiefe und Bedeutung. Fazit: Auch wenn es nicht mein liebstes Buch von Antonia Michaelis ist, kann ich es euch nur empfehlen, insbesondere wenn ihr euch näher mit der Thematik des Terrorismus auseinandersetzen möchtet. Dieses Buch bietet viele interessante Einblicke in die Welt des IS und die Abgründe der Menschlichkeit und stimmt dabei sehr nachdenklich. Macht euch aber im Voraus bewusst, dass diese Geschichte keine leichte Kost ist und mehr als beklemmend sein kann. 4/ 5 Sterne ⭐️

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