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Babscha

Posted on 28.2.2020

Ein Buch über sogenannte Hillbillys, Angehörige der weißen Arbeiterklasse im südlichen Appalachengebiet von Kentucky und Ohio. Einer sozialen Unterschicht, auch als White Trash bezeichnet, in der es rauh zugeht, in der das Leben von Alkohol, Drogen, Gewalt und Arbeitslosigkeit geprägt ist. Eine Welt der "Abgehängten" ohne Pespektive auf Bildung und sozialen Aufstieg. Der Autor des Buches, Baujahr 1984, ist einer von ihnen. Er erzählt hier seine Lebensgeschichte, vom Aufwachsen in einer typischerweise kaputten Grossfamilie mit früh geschiedenen Eltern und einer schwachen, drogensüchtigen Mutter mit permanenten Geldproblemen, die sich immer wieder neuen Partnern zuwendet, ihn und seine Schwester vollständig im Stich lässt und die ganze Familie in ausweglose Situationen manövriert. Und von seinen Großeltern, die, wie viele andere dort aufgrund besserer Jobchancen schon früh aus den Bergen Kentuckys nach Middletown in Ohio, seiner Heimatstadt, migriert sind. Die als echte Hillbillys zwar eine derbe Sprache, verbunden mit einem verqueren Ehrgefühl bei extrem kurzem Geduldsfaden pflegen und immer eine geladene Waffe bei sich tragen, aber im Kern die Familie letztlich zusammen halten und damit auch trotz ihrer vielen Fehler der einzige Halt für die beiden Kinder sind. Und wie Vance es nach einer harten ausweglosen Jugend dann zuletzt schafft, sich selbst aus diesem Sumpf heraus zu ziehen und dank seiner Intelligenz nach einem Bachelorstudium sogar ein Jurastudium in Yale zu beenden und damit tatsächlich den klassischen American Dream für sich entgegen aller Erwartung doch noch zu realisieren. Das Buch bietet hochinteressante Einblicke aus erster Hand in eine harte Welt von underdogs und deren oftmals befremdliche Lebensgewohnheiten, exemplarisch dargestellt an der eigenen Familie des Autors. Er legt den Finger hier ganz klar in die Wunde der gesellschaftspolitischen Missstände in diesen Gegenden der USA mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf das Leben des Einzelnen, der, dort einmal verankert, praktisch chancenlos ist und bleibt. Dies ist dann genau die Klientel, die in offensichtlich blindem Glauben an bessere Zeiten auch das Ihre zum Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahlen beigetragen hat. Das Buch kann in den ersten beiden Dritteln begeistern, ist intensiv, wobei Vance sehr fair auch auf die durchaus gegebene eigene Mitschuld der Betroffenen an ihrer Situation durch Arbeitsunlust und bewussten Betrug der Sozialsysteme verweist. Seine Familiengeschichte mit diversen skurrilen Charakteren ist dabei wirklich lesenswert. Leider wird das Werk nach hinten heraus aber spürbar langatmiger, was insbesondere an den gebetsmühlenartig wiederholten Verweisen auf seinen eigentlich unbegreiflichen sozialen Aufstieg und an den endlosen Danksagungen an seine Großeltern und seine spätere Ehefrau liegen mag, die alle Initialzünder für sein Ausbrechen aus dieser Welt waren. Insgesamt aber ein sehr bereicherndes und lesenswertes Buch, auch zur eigenen Horizonterweiterung.

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