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Maike Bücheler

Posted on 13.2.2020

Im Traum erscheint dem Kronprinzen Kanaael De‘Ar die Göttin Kev und bittet ihn, die Traumknüpferin zu beschützen. Er bricht auf, um diese Aufgabe zu erfüllen und setzt dadurch eine Reihe von Ereignissen in Gang, die alle Länder der vier Jahreszeiten erschüttern werden. Denn wenn die Traumknüpferin erwacht, ist nichts mehr wie es war. Fast zeitglich wird am anderen Ende der Welt das Heimatdorf von Naviia O’Bhai überfallen und ihr Vater dabei getötet. Sie schwört Rache und macht sich ebenfalls auf die Reise. Und irgendwann soll sich ihr Weg auch mit Kanaaels kreuzen… Dieses Buch lag fast vier Jahre lang auf meinem SuB. Dabei wollte ich es so unbedingt lesen, als es mich damals erreicht hat. Ich glaube sogar, ich habe es zum Erscheinen bei einem Gewinnspiel von Heyne gewonnen. Aber irgendwie kamen dann immer andere Bücher dazwischen und jetzt… jetzt bin ich furchtbar enttäuscht. Von Carolin Wahl habe ich bereits Mondscheinküsse halten länger gelesen und war davon auch nicht sonderlich begeistert. Aber ich dachte mir, vielleicht war das einfach nicht mein Genre, vielleicht bin ich dafür einfach doch schon zu alt geworden, und wollte ihr unbedingt noch eine Chance geben. Wirklich genutzt hat das jedoch nichts. Besonders auf den ersten 100 Seiten habe ich mehrfach darüber nachgedacht, das Buch abzubrechen. Grobe handwerkliche Schnitzer haben dafür gesorgt, dass ich mich fragen musste, ob Die Traumknüpfer überhaupt lektoriert worden ist. Beispiele gefällig? Es beginnt bei simplen, handwerklich-sprachlichen Sachen wie der Wiederholung desselben Wortes in zu kurzen Abständen: "Nachtwind stülpte sich seinen Schal über das Kinn […] und nickte dem vermeintlichen Bettler zu. Saaro A’Sheel nickte im mit einem überlegenden Lächeln zu […]" (Seite 13) Und geht bis hin zu Logikfehlern, die eigentlich jedem Testleser/Lektor sofort auffallen müssten: Naviia und ihr Begleiter konnten 12 Felle nicht verkaufen und machen sich auf den Weg nach Hause. Dort angekommen können sie aber 20 abladen. Ja wo kamen die denn jetzt her? Und dazwischen lagen nur wenige Seiten. Das wurde zum Glück besser, aber packen konnte mich die Geschichte trotzdem nicht, was vielleicht auch an der Sprache lag. Sie war für mich ohne Gefühl, irgendwie fehlte die Melodie. Es entstand kein Sog, der mich in die Geschichte hineinzieht, stattdessen musste ich mich enorm konzentrieren, um überhaupt mitzukommen - weshalb mir nur umso mehr Fehler auffallen. Figuren werden als Freunde etabliert, nur um innerhalb von einer halben Seite doch auf mehr hinzudeuten - ja was denn nun? Figuren erklären anderen Figuren, was diese eigentlich längst wissen sollten – nur damit der Leser es mitbekommt. Oh, und Sexistische Witze à la "Du musst nur mal richtig vögeln" gibts auch noch. Ja, klar, ist es eine Fantasy-Welt, die kann man so misogyn gestalten wie man will, aber... haben wir davon nicht echt schon genug IRL? Ganz ehrlich? Ich glaube, vieles davon ist gar nicht Carolin Wahls Schuld - aber dieses Buch liest sich wie ein erster Entwurf, nicht wie ein fertiges Produkt. Ich hatte null Verbindung zu den Charakteren, habe nie richtig mit ihnen gefühlt, konnte ihre Entscheidungen nicht nachvollziehen. Vielleicht waren es einfach zu viele. Vielleicht wurden sie falsch eingeführt. Vielleicht hatte ich auch einfach nur die falschen Erwartungen, keine Ahnung. Ich wünschte, ich könnte besser benennen, was mich so gestört hat, das ganze Buch hindurch, doch ich weiß es ehrlich nicht. Irgendwie hat mich die Geschichte einfach nicht interessiert. Es ging mir zu langsam. Zu oft wurden Szenen beschrieben, bei denen ich mich fragen musste: Und was genau bringt mir diese Information jetzt? Zu viele Nebenschauplätze ohne Bezug zur Handlung und zu viele Handlungsstränge, bei denen man viel zu spät sieht, dass sie doch irgendwie zusammenlaufen und eine Rolle spielen werden. Und wenn sie das dann taten, dann fühlte es sich für mich irgendwie erzwungen und unnatürlich an. Was ich dem Buch jedoch anrechnen kann, das ist die Tatsache, dass es mich immer wieder überraschen konnte. Immer wieder passierten Dinge, die ich nicht erwartet hatte. Doch selbst die ließen mich kalt. Der plötzliche Tod wichtiger Charaktere löste nicht mehr als ein Schulterzucken bei mir aus. Das Aufdecken eines Verrats nicht mehr als ein gleichgültiges Blinzeln. Dabei fand ich die Grundidee so, so toll. Vier Länder, die jeweils für eine der vier Jahreszeiten stehen. Mit eigenen Kulturen, Normen und Traditionen. Mit viel Weltenbau, eigenen Tierarten und Sprachen dahinter. Wirklich gut gemacht. Auch die Idee mit den doppelten Vokalen in allen Namen fand ich nach einer kurzen Eingewöhnung super. Und dann der Traum. Ein magischer Traum, der alle Menschen verknüpft. Die Idee, dass es die Träume sind, die den Menschen Hoffnung geben, dass ohne sie alles zusammenbrechen würde, finde ich großartig. Allerdings wurde dem meiner Meinung nach viel zu wenig Raum gegeben. Es wurde genannt, nicht gezeigt. Kanaael blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel. Sagte ständig, dass er nicht weiß, wem er vertrauen kann, läuft aber trotzdem ständig hinter Fremden her. Ist ein Sturkopf sondergleichen, der sich weigert zu erkennen, wann ihm jemand helfen will. Ein Königssohn, dem eigentlich Vernunft antrainiert ist, der aber nie auch nur mal zwei Minuten nachdenkt. Seine Handlungen widersprachen dem, was er eigentlich als Charakter sein sollte. Ein Beispiel? Als er seine magischen Fähigkeiten entdeckt, tötet er dabei jemanden. Schön und gut, das kann ja ein interessanter Moment sein. Mögliche logische Reaktionen dabei wären für mich: Angst (vor sich selbst, der Magie, der Zukunft...), bei schlechten Menschen noch größerer Machthunger. Meinetwegen auch Zorn auf sich selbst, weil man das getan hat. Aber Kanaael richtet seine ganze Wut gegen die zwei Menschen, die versucht haben, ihn zu schützen, ohne auch nur zu versuchen ihren Standpunkt zu verstehen. Okay, klar behaupten die Diener er sei arrogant und egozentrisch, wozu das ja passen würde, aber der Leser hat ihn halt anders kennengelernt. Unsicher, als guten Freund, als guten Bruder, mit Lust nach Abenteuer. Da passt das halt einfach nicht, nicht für mich, tut mir leid. Naviia hingegen gefiel mir schon viel besser. Gut, ihr Rachemotiv ging mir hier genau wie bei vielen anderen Büchern auf die Nerven, aber immerhin schien sie ein Hirn zu haben. Und das sogar zu benutzen! Sie glaubte an sich selbst, an ihre Mission und oh Wunder, ihr habe ich diese Überzeugung sogar abgekauft. Sie wurde nicht auf ihre Rache reduziert, wovor ich echt Angst hatte, und das hat mir wirklich gefallen – zumindest, als sie dann mal tatsächlich vorangekommen ist, was eeeeewig gedauert hat. Auch ein paar der Nebencharaktere waren ganz nett, aber wirklich im Gedächtnis bleiben wird mir wohl keiner. Ein Problem, das mich schon während des Lesens eingeholt hat. Das lag zwar sicher auch an den langen Pausen, die ich immer wieder gemacht habe, aber ein gutes Zeichen ist es sicher nicht. Dass ich überhaupt so lange Pausen gemacht habe, spricht nicht sonderlich für das Buch. Denn ich habe mich nie darauf gefreut weiterlesen zu dürfen, sondern habe es stattdessen vor mir hergeschoben weiterlesen zu müssen. Schade. Aber ich bin froh, dass ich das Buch beendet habe, denn immerhin die letzte Schlacht war dann doch spannend. Endlich liefen zumindest ein paar der wirren Handlungsstränge zusammen, endlich passierte mal ein bisschen was. Ja, auch hier gab es Momente, die mich zweifeln ließen. Wie ist Kanaael von einer Insel zur nächsten gekommen? Und warum genau brauchen wir jetzt dieses Liebe-auf-den-ersten-Blick-Getue um einen sowieso zweifelnden Charakter von der richtigen Seite zu überzeugen? Aber immerhin habe ich die letzten hundert Seiten gern gelesen. Bei einem 700-Seiten Buch ist das jedoch nicht wirklich ein guter Schnitt. Es gab einfach zu viele Sachen, zu viele Unsauberkeiten, die mich gestört haben. Normalerweise sind mir ein paar Rechtschreibfehler oder fehlende Worte egal. Das passiert. Hier haben sie sich aber einfach so gehäuft, dass ich sie nicht mehr ignorieren konnte. Es gab Metaphern, die nicht funktionieren. Sprachliche Bilder, die zu sehr Klischee sind, um noch irgendwas in mir auslösen zu können. Charaktere, die nach nur wenigen Seiten ihre Meinung urplötzlich ändern, ohne es irgendwie nachvollziehbar zu erklären. Zufälle, die einfach zu gut passen. All das hat dazu beigetragen, dass mich Die Traumknüpfer leider überhaupt nicht überzeugen konnte. Vielleicht war ich zu nitpicky mit diesem Buch. Vielleicht hat es mich auf dem falschen Fuß erwischt, das will ich ja gar nicht ausschließen. Aber es hat mich einfach nicht gepackt, zu keinem Zeitpunkt. Und damit war es für mich leider kein gutes Buch. Schade.

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