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Simone Scamander

Posted on 1.2.2020

Worum geht's? Die 17-jährige Aileen ist froh, dass sie ihre Schreinerlehre anfangen konnte. Seit sie das nötige Geld für das Wohnheim verdient, muss sie ihren alkoholabhängigen Vater nicht mehr ertragen. Wäre doch bloß ihre Mutter nicht bei Aileens Geburt gestorben, wäre alles ganz anders... Als Aileen eines Abends von einem Treffen mit ihrem "Arbeitskollegen" Thomas zurück in das Heim gehen möchte, kommt es zu einem unangenehmen Zwischenfall. Sie wird von einer Gruppe Männer bedroht, ahnt jedoch noch nicht, dass ihr nun endlich ruhigeres Leben wieder völlig aus den Fugen geraten wird. Kurze Zeit später wird sie von Harpyien attackiert, die ihr ganz offensichtlich nach dem Leben trachten! Ein junger Mann namens Macius rettet sie in letzter Sekunde. Von ihm erfährt Aileen die Wahrheit über ihr wahres Ich. Sie ist die letzte lebende Banshee – na klar! Was für ein Unsinn! Aber die Umstände zwingen Aileen dazu, Macius Aussage Glauben zu schenken. Und tatsächlich: Allein durch einen Schrei kann sie ihre Gegner in die Flucht schlagen! Was wie ein schlechter Scherz begann, endet in einem gefährlichen Abenteuer in einer Welt der Mythen und Sagen. Kaufgrund: "Das Lied der Banshee" hat mein Interesse erstmals durch die wunderschönen Farben des Covers geweckt. Lange habe ich gezögert, ob ich dieses Debüt der Autorin lesen sollte oder nicht. Schließlich hat mich der Klappentext so neugierig gemacht, dass ich es probieren wollte! Meine Meinung: Bereits nach wenigen Seiten stellt sich dank des flüssigen, jugendlichen Schreibstils ein starker Lesefluss ein. Nowak setzt genau an den richtigen Stellen Akzente, die die eigene Neugier wecken und den Drang zum Weiterlesen in die Höhe treiben. Vor unerwarteten Wendungen strotzt "Das Lied der Banshee" zwar nicht, dafür sorgen die facettenreichen Charaktere, die abwechslungsreichen Umgebungen - man reist quasi quer durch Europa - und die vielen spannungsgeladenen Kämpfe für ein mitreißenden Lesegenuss. Das Romanende ist ein typisches "Happy End" nach einem dramatischen Kampf. Nach so vielen brutalen und düsteren Szenen hätte ich so einen glimpflichen Ausgang nicht erwartet! Insgesamt ist es aber ein schönes, abgerundetes Ende. Die Geschichte an sich ist abgeschlossen, bietet jedoch einige Anlaufstellen zum Weiterspinnen. Momentan arbeitet die Autorin an einer Fortsetzung, die sich näher mit Aiko auseinandersetzen soll. Nowak erzählt die Geschichte aus zwei verschiedenen Perspektiven. Hauptsächlich erfahren wir aus Aileens Sicht, wie die Handlung voranschreitet. Dies erlaubt einen privaten Einblick in ihre Gedanken und Gefühle, sodass es dank Aileens sympathischer Art sogar möglich ist, eine freundschaftliche Bindung zu ihr aufzubauen. Nowak hat aber auch einige kurze Szenen eingebaut, die sich auf den mysteriösen Antagonisten, den Wächter, beziehen. Durch diese Einschübe erhält der Leser vorzeitig die Informationen, nach denen Aileen und ihre Gruppe suchen. Oftmals gerät man dadurch in eine schwierige Situation, denn man würde Aileen am liebsten vorwarnen! Obwohl Aileen eine tolle Protagonistin ist, die man sehr gerne auf ihren Abenteuern begleitet, ist sie mein größter Kritikpunkt an "Das Lied der Banshee". Erst einmal möchte ich die positiven Seiten an Aileen hervorheben. Anfangs lernt man sie als zurückhaltendes Mädchen kennen, dass sich trotz ihres Model-Körpers, groß und schlank, nicht wie eine klischeehafte zickige Blondine verhält; im Gegenteil, denn Mode, Make-up und die High Society interessiert sie sich gar nicht. Die 17-Jährige hat in ihrem jungen Leben bereits eine Rückschläge erleiden müssen. Ihre Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben und da ihr Vater zu einem ungenießbaren Alkoholiker geworden ist, war sie überglücklich, als sie ihre Schreinerlehre anfangen und ausziehen konnte. Durch diese Vergangenheit hat sie eine starke Persönlichkeit entwickelt, die niemals aufgeben würde. Jede noch so brenzlige Situation betrachtet sie erst einmal mit ihrem sarkastischen Humor, wodurch sie den Leser oft zum Schmunzeln bringt. Kein Wunder also, dass Aileen einem ans Herz wächst! Ihre Fähigkeiten als Banshee waren mir jedoch zu aufgesetzt. Innerhalb kürzester Zeit besitzt sie die Macht über ihre enormen Kräfte, während ihre Vorfahrinnen mehrere Jahrzehnte üben mussten, ohne auch nur in die Nähe von Aileens Stärke zu kommen. Ein paar Schwächen hätten ihr nicht geschadet! Die Nebencharaktere sind vielschichtig und einzigartig. Die mystische und durch viele Sagen und Legenden inspirierte Hintergrundgeschichte hat Nowak genutzt, um ihren Figuren eine ganz spezielle Note zu verleihen. Obwohl sich Aileens Begleiter - ihr Arbeitskollege Thomas, in den sie heimlich verliebt ist (auch, wenn sie es sich selbst anfangs nicht eingestehen will), die Sirene Pheme, die Oni Aiko oder der Wassermann Macius - dem Leser schnell ins Gedächtnis brennen werden und man viel über sie erfährt, hält sich die Autorin mit tiefgründigen Informationen über ihre Vergangenheit eher zurück. Insgesamt sollte der Autorin allein für die erfrischenden Wesen der Figuren ein großer Pluspunkt zugeschrieben werden. Sie springt nicht auf den "Werwolf & Vampir"-Zug auf, sie wählt "unverbrauchte" Banshees, Onis und Lamien. Die Geschichte wird durch grandiose Illustrationen von Nina Nowacki unterstützt, die die düstere Atmosphäre noch weiter verstärken. Die Künstlerin hat jede einzelne Zeichnung sehr detailliert gezeichnet, und die darin steckende Mühe ist den Bildern mehr als deutlich anzusehen. Diese - Abbildungen sind allerdings auch der Grund, warum ich den Roman Jugendlichen empfehlen würde. Jüngere Leser könnten durch sie abgeschreckt werden. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Logikfehler, die sich in diesen Roman geschlichen haben. Mal wird ein Name verwechselt, ein anderes Mal wird aus der Sirene eine Nymphe - es sind keine schwerwiegenden Fehler, die den Lesefluss stören würden, trotzdem wären sie vermeidbar gewesen! Cover: Die Verzierungen und die Farbgestaltung gefallen mir außerordentlich gut, dafür bin ich von dem Mädchengesicht mehr als enttäuscht. Das liegt nicht nur daran, dass ich mit Gesichtern auf dem Cover generell wenig anfangen kann. Dieses Mädchen passt nicht einmal ansatzweise zu Aileen, Pheme oder Aiko! Fazit: "Das Lied der Banshee" war für mich ein echtes Leseerlebnis. Janika Nowak hat sich in ihrem großartigen Debüt nur wenig Fehler erlaubt und sorgt mit ihrem Roman über Mythen und Sagen für viele tolle Lesestunden. Besonders die unterschiedlichen Charaktere haben es mir angetan; es war so erfrischend, keinen Vampire und Werwölfe, sondern Banshees, Sirenen, Nymphen, asiatische Dämonen und Wassermänner zu begegnen. Ich vergebe für "Das Lied der Banshee" 4 Lurche.

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