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glow

Posted on 13.7.2019

Ich hatte mich sehr auf den Roman gefreut und habe ihn mit wachsender Enttäuschung gelesen. Anni ist, wie an einer Stelle sogar steht, ein echter Kopfmensch. Sie entwirft coole Sprüche, die leider nicht aus ihrem Herzen kommen und auch nicht dort ankommen. Sie arbeitet rund um die Uhr, ist ein sehr politisch korrekter Mensch, der Nachfüll-Cofffe-to-go Becher benutzt und nicht mal ein Auto besitzt. Das finde ich gut, aber es nimmt der Figur zusätzlich Leichtigkeit, die sie so dringend bräuchte. Sie ist mit Mitte 30 sehr unreif und egozentrisch. Es geht nur um sie, sie muss nie über etwas sprechen, beschließt allein, von ihrem Freund Thies für 6 Wochen weg zu gehen. Sie telefonieren da auch nicht auf. Aber nein, leiden tut Anni dabei auch nicht. Thies ist weg, so what? Überhaupt geht Anni einfach Tagelang nicht ans Telefon, fährt /rennt einfach ständig ohne eine Wort weg und arbeitet rund um die Uhr. Dafür ist da Maria, ihre Schulfreundin, mit der sie auch nie wirklich redet. Ein dunkler Schatten liegt über den beiden, Maria verheimlicht ihr viel, na ja, schon lebensecht, ja. Sonst wird zwar behauptet, dass sie ständig auf Hochzeiten eingeladen ist, also viele Freunde haben muss, aber von einer Person, die Anni nahe steht, merkt man im ganzen Roman nichts. Statt Herzlichkeit ist überall eine metergroße Distanz. Wohl auch zu sich selbst. Zu Thies, mit dem sie nach etlichen Jahren in wenigen Sätzen über ihr großes Trauma spricht, ebenso wie er mit ihr. Danach ist alles wie davor. Kopf, kein Herz. Auch als Ian sich „entschuldigt“, wobei er eigentlich gar nichts wirklich sagt, unterbricht sie ihn sofort, lacht, hach, und dann ist alles gut. Dir drei sind wieder gute Freunde. So gut, dass man beim Epilog zunächst glaubt, auf einem Geburtstag zu sein, nicht auf einem Leichenschmaus. Weil man ja keine Trauer über den Verlust zeigen und fühlen darf, sondern alles schön gestalten, weiße Lochspitze, rotes Sommerkleid, Bowle. Mich erschreckt das. Das Buch ist nicht schlecht, es hat nur die falsche Verpackung und Vermarktung. Heiter leichte Liebesromane gehen anders. Wenn ich Nussschokolade will, stattdessen aber Chilikracker, die ich nicht mag, bekomme, bin ich auch nicht happy. Genau so ist es mit diesem Buch.

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