Büchermenschen übers Lesen: »Wie ich wieder zum Lesen fand« von Anne Sauer

Wie ich wieder zum Lesen fand - ein stressfreier Guide in 7 Schritten

Ok, Leseflauten kennen wir alle. Und für diejenigen unter euch, die es gewohnt sind, viel zu lesen, kann so ein temporäres „Irgendwie lese ich gerade gar nix“ schon mal zu einer mittelschweren Sinnkrise führen. Aber was passiert, wenn du eines Tages merkst, dass dieser Zustand schon mehrere Wochen, vielleicht sogar Monate dauert? Wenn du überhaupt keinen einzelnen Gedanken mehr an Bücher verschwenden kannst, weil dein Kopf schon übervoll ist mit anderen? Wenn du vergessen hast, wie es sich anfühlt, über Buchseiten zu streichen oder du schon keine Ahnung mehr hast, wie deine Lieblingsbuchhandlung von innen aussieht? Wenn du nicht in einer Leseflaute, sondern in einem richtigen Loch feststeckst? Genau so war es bei mir, als ich mittendrin in meinem ersten Burnout war.

Bevor es meinen Buchblog fuxbooks gab, hatte ich das Lesen verlernt. Aber wirklich so richtig. Ich war gerade frische Werbetexterin und verbrachte faktisch mehr Zeit in der Agentur als zuhause. Meine Ohren fiepten, mein Kopf surrte, ich war völlig außer meiner Ordnung. Als es so dann nicht mehr ging, ging ich nicht mehr hin. Ich wurde krankgeschrieben. Diagnose: Erschöpfung, drei Wochen Auszeit. Die ersten Tage waren wie Himmel und Hölle, ich durfte auf keinen Fall arbeiten, keine E-Mails lesen, nur tun, was mir guttut. Aber was war das denn? Womit habe ich früher meine Zeit verbracht, was entspannt mich, was macht mich glücklich? Ihr könnt es euch denken.

Es ist nur leider gar nicht so einfach, den Schalter wieder umzulegen, wenn dein Alltag bisher aus Handy, E-Mails, stundenlang kreativ sein müssen, Handy, Überstunden, Handy und nachts von der Arbeit träumen bestand. Stillsitzen fühlt sich im ersten Moment an wie ein Entzug. „Zur Ruhe kommen“, mit einem Buch im Schoß, vielleicht eine Tasse Kaffee oder Tee dazu. Du beginnst zu lesen, bist motiviert, bis die Gedanken abschweifen, der Griff wieder zum Handy geht. Und dann: Frustration, Ungeduld, Kapitulation.

Ich weiß gar nicht, wie oft ich diese Sätze schon gehört habe: „Ich habe nach der Arbeit echt keinen Kopf mehr zum Lesen“, „Mir fehlt dazu einfach die Zeit“ oder - mein Liebling - „Krass, wie viel du liest. Ich würde auch gern mehr lesen, aber ...“. Und dann beginnt die Satzdauerschleife von vorne. Ich entschuldige mich jetzt schon mal vorab, falls der folgende Gedanke etwas abgedroschen klingt, aber: Wir denken zu oft nur an den Berggipfel, anstatt einfach den ersten Schritt zu gehen. Niemand verlangt von uns, von jetzt auf gleich wieder zur Marathonleserin zu werden. Bücher sind geduldig, sie passen sich unserer Zeit an. Sie sind da, wenn wir sie brauchen und meckern nicht, wenn es mal länger dauert.

Und, die gute Nachricht: Lesen lässt sich trainieren. Achtsamkeit lässt sich trainieren. Gewohnheiten lassen sich ändern, Schritt für Schritt. Du findest wieder zum Lesen, versprochen. Egal, ob du neu starten, aus einer vorübergehenden Leseflaute rausklettern oder, simpel gesagt, einfach wieder „mehr lesen“ willst. Mir helfen dabei die folgenden Regeln - und es schadet nie, sich ab und an wieder an sie zu erinnern.

1. Leg dein Handy weg. Weit weg.

Es ist die einfachste und zugleich wirkungsvollste Regel von allen. Wenn ich mich mit meinen Noise Cancelling Kopfhörern, der Regenplaylist und einem Buch aufs Sofa setze, muss mein Handy außer Reichweite liegen. Der Gang zum Handy symbolisiert die Pause, nicht den Standard. Du wirst überrascht sein, wie wenig du verpasst, wenn du mal 10 Minuten (oder irgendwann länger) nicht aufs Handy schaust.

2. Setz dir Zeitziele.

Wenn dir zu Beginn die Selbstdisziplin fehlt, hol dir Support - in Form einer Stoppuhr. Stell dir einen Timer auf dem Handy (das weit weg liegt), zum Beispiel auf 25 Minuten. Oder erstmal weniger, und dann Woche für Woche mehr. Betrachte es als Übung, die deine Leseausdauer stärkt. Und irgendwann wirst du nicht mehr so schnell nervös oder ungeduldig, sondern vergisst buchstäblich (hihi) die Zeit.

3. Trag dir Lesezeit in den Kalender ein.

Klingt komisch, aber hilft: Betrachte deine Lesezeit als To Do. Schreib‘ dir in den Kalender, oder auf eine Tagesliste, dass du lesen wirst. Das ist Zeit für dich, die genauso wichtig ist, wie einkaufen, kochen, Wäsche waschen und was sonst noch so getan werden muss. Wenn „lesen“ im Kalender steht, gibst du dieser Beschäftigung direkt mehr Raum. Wie oft und wie lange, entscheidest natürlich du. Fühlt sich doch direkt gut an, oder?

4. Mach dir keinen Druck.

Lesen soll Freude machen. Wenn du das Gefühl hast, es ist Arbeit, stimmt was nicht. Dabei ist es völlig egal, wie viele Bücher du pro Monat oder pro Jahr „schaffst“, lesen ist kein Wettbewerb. Auch wenn Begriffe wie „Lesechallenge“, „SUB-Abbau“ oder „Readathon“ das in den Sozialen Medien gerne mal suggerieren. Lies, wenn und vor allem, weil du Bock hast. Alles andere ist unwichtig.

5. Entscheide dich spontan.

Du willst wieder anfangen und schaust nervös auf den Stapel der Bücher, die schon so lange auf dich warten - welches ist jetzt das „Richtige“? Greif dir eins, lies rein - stimmt der Vibe, lies weiter. Wenn nicht, schnapp dir ein anderes. Oder gehe voller Freude und Achtsamkeit in die Buchhandlung oder Bibliothek, genieße die Auswahl, bade dich in den literarischen Möglichkeiten. Such dir eins aus und fang an – und zwar sofort, wenn du zuhause bist.

6. Etabliere deine eigene, kleine Routine.

Wenn ich konzentriert lesen will, brauche ich meine Kopfhörer und eine Playlist mit beruhigenden Hintergrundgeräuschen - Gentle Rains, Beach Waves (wobei mich da manchmal die Möwen nerven) oder Nature Sounds. Auf dem Tisch muss ein Wasserglas stehen, der gespitzte Bleistift bereitliegen und Taschentücher sollten auch griffbereit sein. Das ist eine Routine, die meinen Kopf darauf vorbereitet: Aha, gleich wird in Ruhe gelesen. Finde heraus, was du brauchst, wo du gut lesen kannst und was dich dabei stört.

7. Hol dir deinen Fokus zurück.

Vielleicht musst du ganz neu lernen, dich wieder auf einen langen Text zu konzentrieren, ohne digitale Ablenkung im Sekundentakt. Kennst du das Gefühl, eine Seite fünfmal zu lesen und nirgends hängen zu bleiben? Wenn du das merkst, hör kurz auf. Schließe die Augen (oder schau woanders hin) und versuch herauszufinden, WAS dich beschäftigt. Lass den Gedanken zu - und schick ihn zeitnah wieder weg. Quäl dich nicht, dein Buch vor dir hat keine Deadline. Es ist kein Rätsel, das du lösen musst.

Fang einfach an. Trust the process – es kann ja nur besser werden.

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Hier kannst du mehr über Anne Sauer erfahren und ihrer Arbeit als Literaturvermittlerin und ihren Buchtipps folgen:

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