Annette Hennig Stellas Abschied

„...In ihrem roten Kleid, dass mehr als 30 Jahre auf den Buckel hatte, doch nie wirklich aus der Mode gekommen war und zudem noch wie neu aussah, stand sie am Grab des Unbekannten...“

Mit diesen Zeilen beginnt der Prolog. Die Autorin hat eine spannende Geschichte geschrieben. Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt. Die gegenwärtige spielt 2012, die andere beginnt 1977.

Es ist in Frankfurt im Jahre 2012, als dem Friedhofsgärtner die Frau am Grab auffällt. Er spricht darüber mit dem Kriminalkommissar a. D. Johannes Schwartz. Der erinnert sich an eine alte Akte. Sollte es gelingen, die Identität des Toten nach fast 30 Jahren aufzuklären? Anwalt Ernst Roth ist sofort Feuer und Flamme.

Die 21jährige Stella lebt im Jahre 1977 in Leipzig. Vor allem ihre Mutter ist stockkonservativ und hat nichts übrig für die Wünsche der jungen Frau. Von ihre Arbeitskollegin wird Stella so eingeschätzt:

„...Das Mädchen war fleißig und klug. Hilfsbereit obendrein. Nur war sie in Brigittes Augen auch arg berechnend. Manchmal auch ein wenig oberflächlich...“

Stellas Freundin Petra dagegen ist sehr bodenständig. Sie nimmt das Leben, wie es kommt. Deshalb hat sie es auch abgelehnt, während der Messe im Hotel Merkur Kontakte zu suchen.

Als die beiden an der Ostsee Urlaub machen, treffen sie dort auf zwei junge Männer. Die sind zufällig ebenfalls aus Leipzig. Thomas stammt aus gutbürgerlichen Haus, Jürgen ist der Sohn eines Pfarrers. Einige Zeit später überredet Thomas die Drei zu einem folgenschweren Schritt. Mir hat sehr gut gefallen, wie die Autorin die inneren Kämpfe der Protagonisten wiedergegeben hat. Gerade Jürgen und Petra hadern bis zuletzt damit, ob sie Thomas` Vorschlag folgen sollen. Die folgenden Worte sollten sich bald bewahrheiten:

„...Die Gedanken sind frei. Wissen ist Macht - und manchmal ist es gut, nicht alles zu wissen...“

In Frankfurt am Main zeigt sich, dass das Paradies auch seine dunklen Seiten hat. Jürgen nutzt die Kontakte seines Vaters und nimmt eine Stelle an, bevor er das Abitur nachholt, um studieren zu können. Petra findet schnell einen Job als Verkäuferin. Stella muss nehmen, was kommt, denn in ihren Beruf findet sie keinen Job. Und Thomas? Der ist gewohnt, dass ihn seine Eltern alle Steine aus dem Weg räumen. Selbstständiges Handeln ist ihm neu. Jürgen schätzt ihn richtig ein, wenn er meint, dass Thomas sinngemäß mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde. Das hilft ihm jetzt nichts. Stella fällt eine folgenschwere Entscheidung. Sie hatte einst im Hotel Merkur von einem Gast eine Visitenkarte erhalten, die ihr nun gute Dienste tun soll.

In der Gegenwart hat Johannes damit zu kämpfen, dass seine Enkelin über eine Ausreise nach bali nachdenkt. Zwischen Jelena und Markus scheint es ebenfalls eine leichte Verstimmung zu geben. Ist Alice Bauer die Frau, mit der Johannes seinen Lebensabend verbringen möchte? Für seinen Geschmack klammert sie zu viel.

Der vielschichtige Roman hat mir sehr gut gefallen. Jede Entscheidung im Leben hat zwei Seiten. Das wird spannend vermittelt.