Wulf D. von Lucius: Bücherlust – Vom Sammeln

Für Ottonormalverbraucher heißt Bücher sammeln wahrscheinlich – einfach Bücher sammeln. Zum Beispiel ich. Bis vor Kurzem hatte ich gut 5000 Bücher im Haus (glücklicherweise habe ich Abnehmer*innen gefunden). Nach Wulf D. von Lucius Definition bin ich aber noch längst keine Sammlerin. Und bisher habe ich mich selbst auch nicht so gesehen. Von einer Sammlerin, wie der Autor sie beschreibt, bin ich auch meilenweit entfernt. Doch für meine Begriffe ist ein kleiner Teil meiner Bücher eine Sammlung: die „Bücher über Bücher“. Noch – dabei sammle ich schon ein paar Jahre – bin ich in der Anfangsphase, wo ich alles nehme, was ich in die Hand bekomme. Ich kann noch Platz schaffen, zwar auf etwas rabiate Art, aber was tut man nicht für das, wofür man eine Leidenschaft hegt. Sollte mal der Tag kommen, an dem meine Lieblinge alle anderen Bücher verdrängt haben, dann müsste ich auch hier aussortieren und mich für eine Richtung entscheiden, die mir besonders wichtig wäre. Wahrscheinlich würden zuerst die Liebesschnulzen weichen müssen.

Doch so weit denke ich noch nicht. Aber welch eine Vorstellung: All meine Regale gefüllt mit „Büchern über Bücher“ – Wahnsinn.

Gibt es eine Antwort auf die Frage, warum man Bücher sammelt? Wohl kaum eine, die jemand verstehen würde. Ich selbst kann sie mir kaum beantworten. Der Verleger, Publizist und Bibliophile Wulf D. von Lucius versammelt in seiner Monografie, die 2000 im DuMont-Verlag erschien, alles Wissenswerte dieser Leidenschaft.

John Steinbeck hat es für sich auf den Punkt gebracht: Ich vermute, die Wahrheit ist, dass ich alten Kram einfach liebe.

Unter Büchersammlern gab es im England des 18. Jahrhunderts gar den Brauch, jedes Buch zweimal zu kaufen: eines zum Lesen, das andere für die Sammlung.

„Frag nit woher, frag nit wohin, mich wundert, daß ich fröhlich bin.“ Diese (vielleicht nur scheinbar) leichten Verse des cherubinischen Wandersmanns finden sicher die Zustimmung vieler Sammler, die es für ganz und gar unnötig halten, sich über die Beweggründe und das Woher und Wohin ihres Sammelns Rechenschaft abzulegen. Und es ist ja auch wahr: Das Wichtigste am Sammeln ist, daß es ein fröhliches, lustbringendes Geschäft sein soll, nicht allzu stark belastet von skrupulösem Nachdenken oder gar Rechtfertigungsversuchen für ein Tun, das von vielen anderen ohnehin unverständlich und fremd bleibt.

„Bücherlust“ gibt jede Menge mögliche Lösungen auf Fragen, die sich beim Sammeln unweigerlich stellen. Da geht es um die Strukturierung der Sammlung, den Eigenschaften von Büchern, es benennt Informations- und Bezugsquellen, erklärt, wie Preise für antiquarische Bücher zustande kommen und gibt Auskunft über Geschäftsgebaren und Umgang unter Sammlern und Antiquaren.

Es liegt in der Natur der Sache, daß die allermeisten Bücher, die ein Sammler erwirbt, davor schon Bestandteil anderer Sammlungen waren: Die Bücher wandern in der Regel im Rhythmus des menschlichen Generationenwechsels von Hand zu Hand, man könnte an das Bild eines Baumes denken, dessen Blätter im Herbst zur Erde fallen, sich auflösen und Nährstoff für die Blätter des kommenden Jahres geben; dem Kreislauf organischer Substanz auf der Ebene der Moleküle entspräche der Kreislauf der Bücher – jedes in diesem Sinne ein Molekül – von Sammlung zu Sammlung durch die Jahrhunderte weitergegeben.