Werner Karl Die Kolonisten Aidan-Trilogie Band 1

„...Melden Sie sich als Kolonist bei ECO! Die Venus bietet Ihnen und Ihrer Familie DIE Chance Ihres Lebens: Unerforschtes, jungfräuliches Land wartet auf die Entdeckung und Urbarmachung durch Sie!...“

Wir schreiben das Jahr 2125, als dieser Aufruf an die Massen gerichtet wird. Auf der Erde werden die Nahrungsmittel knapp. Große Landstriche sind unbewohnbar. Die Bevölkerung muss reduziert werden. Gleichzeitig sollen auf der Venus saubere Lebensmittel für die Erde produziert werden.

Der Autor hat einen spannenden SF-Roman geschrieben. Der Schriftstil ist gut ausgearbeitet. Er sorgt für den hohen Spannungsbogen und einen flotten Lesefluss.

Schon nach wenigen Seiten wird klar, dass öffentliche Verlautbarungen und die Wirklichkeit zwei völlig verschiedene Seiten der Medaille sind.

„...Ich mache Menschen mit meiner Arbeit glücklich, ich bringe Glück, ich selbst bin glücklich und voller Selbstvertrauen...“

Diese Selbsthypnose kann nicht verhindern, dass Carlos weiß, dass sein Leben eine Lüge ist. Wer ist er wirklich?

Die Geschichte wird in drei Handlungssträngen erzählt. Da gibt es zum einen die Regierung der Gereinigten Staaten, die sich allgemeiner Überwachung bedient und auf die Geheimdienste setzt.

Zum anderen existiert auf der Venus eine Gruppe von Menschen, die sich dort eingerichtet hat und jeglichen Kontakt zur Erde vermeidet. Normalerweise dürfte es sie nicht geben.

Zum dritten leben in Afrika eine Anzahl von Rebellen. Nathan, ein hoher SEC-Offizier, hört die Beichte seines sterbenden Vaters. Der hatte Einblick in Vorgänge, die den Normalsterblichen verschlossen waren. Für Nathan bricht eine Welt zusammen. Er geht neue Weg und schließt sich mit Regimegegner zusammen.

Während die Eliten auf der Erde alles tun, um ihr Überleben zu sichern und selbst in den Spitzenjobs keiner seinem Nächsten wirklich trauen kann, erleben die Kolonisten auf der Venus eine unerwartete Überraschung. Sie stoßen auf eine unbekannte Anlage unter der Venusoberfläche. Die erste Schlussfolgerung lautet:

„...Die Bewohner der Erde wissen aller Wahrscheinlichkeit nach nichts von der Existenz der Außerirdischen, sonst wären schon vor Jahrzehnten Raumschiffe, vollgestopft mit Militär und Wissenschaftler, aufgetaucht und hätten diese Anlage untersucht...“

Sehr gut gefällt mir, wie behutsam, aber auch wissenschaftlich untermauert, die Kolonisten an die Erforschung ihrer Entdeckung gehen. Dabei wird jeder entsprechend seinen Fähigkeiten eingesetzt. Die fachlichen Grundlagen werden allgemeinverständlich beschrieben und sind mit entsprechenden Grundlagenwissen gut nachvollziehbar.

Ab und an wird deutlich, wie viel Wissen auf der Erde mittlerweile nicht mehr vorhanden ist. Wenn es Anspielungen auf unsere Gegenwart gibt, werden diese Lücken deutlich. Ich denke dabei zum Beispiel an die neue Version des Märchen von Dornröschen.

Nathan stellt seinen Leuten auf einer geheimen Basis in Afrika sein Konzept vor:

„...Wir gründen eine Untergrundarmee, die möglich viele Menschen einschließt, sie aufklart und alles tut, um am Leben zu bleiben. Wir werden keine Sabotageakte verüben, wir sind keine Terrorristen...“

Haben sie eine Chance gegen eine hochgerüstete Armee mit modernsten Waffen und einen Geheimdienst, der kaum Lücken zulässt?

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Hier werden das perfide Regierungssystem der Erde und eine Art gleichberechtigte Teilnahme auf der Venus gegenüber gestellt. Doch auch dort gilt es, Entscheidungen zu treffen, die über Leben und Tod bestimmen können. Das führt dort zu tiefgründigen Diskussionen. Nicht zuletzt stehen die Fragen im Raum: Wo beginnt persönliche Schuld? Wann heiligt der Zweck die Mittel?