Annette Hennig Veras Tränen

„...Du solltest dringend mit deiner Psychologin reden, wie du dein aufbrausendes Temperament in den Griff bekommst...“

Diesen Ratschlag gibt Kommissar a. D. Johannes seinem Freund Ernst, einem Anwalt. Seit seinem Schlaganfall lässt Ernst seinen Frust oft an seiner Frau aus. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Zwar scheint es, dass sich das gebessert hat, seitdem er mit Johannes alte Fälle aufarbeitet, aber momentan rastet er ziemlich schnell aus. Das mag auch daran liegen, dass der neueste Fall enge Freunde von ihm betrifft.

Die Autorin hat erneut einen fesselnden Roman geschrieben. Der Schriftstil lässt sich flott lesen, Er ist sehr gut ausgearbeitet.

Im Jahre 1971 bekommt Vera Stiegler ihre Tochter Christina. Als das Mädchen neun Monate alt ist, wird es mitsamt Kinderwagen entführt. Die Ermittlungen laufen ins Leere. Es gibt auch keine Lösegeldforderungen. Veras Vater ist selbst Richter. Er zieht alle Register, erreicht aber auch nichts.

Im Gegensatz zu Ernst und Johannes weiß ich als Leser ziemlich bald, was damals passiert ist, denn ein zweiter Handlungsstrang beginnt im Jahre 1966. Der soll aber hier kein Thema sein.

Ernst und Johannes besorgen sich die alten Akten. Es ist Jelena, Johannes` Haushaltshilfe, die einen winzigen Hinweis darin findet. Jelena ist Studentin, für Johannes ist sie mehr Haustochter als Haushaltshilfe.

Er hatte sie auf Druck seiner Enkelin engagiert und ihr ist es gelungen, ihn aus der Lethargie, in die er nach dem Tod seiner Frau fast versunken wäre, zu reißen.

„...Damals, als sie bei ihm einzog, war er davon ausgegangen, dass es ihr hilft, wenn der Weg von ihrer Wohnung zu ihm wegfällt. Als er erkannte, dass sie sich in der freigewordenen Zeit nur noch mehr aufbürdete, hat er ihren Lohn erhöht...“

Zu dem Mehr gehört auch, dass Jelena aktiv an der Aufarbeitung der Fälle teilnimmt.

All die Jahre hat Vera die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie ihre Tochter irgendwann wieder in die Arme schließen kann. Bestärkt darin hat sie ihre Mutter Anna, die regelmäßig Kontakt zu einer Kartenlegerin hat. Die hat ihr übrigen die Entführung angedeutet. Außerdem besteht sie darauf, dass das Mädchen, was ja mittlerweile zur Frau herangewachsen ist, lebt und dass es ihr gut geht.

Die Geschichte wird spannend erzählt. Hier werden gekonnt unterschiedliche Schicksale miteinander verknüpft. Der exakten Recherchearbeit und wohl ebenfalls einer Prise Zufall ist es zu verdanken, dass der Fall gelöst wird.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich hoffe, es gibt weitere Fälle.