Bücher als Resonanz-Quelle in Beziehungen

Über das Entstehen einer Beziehung und eines Buchprojektes

Es gibt unbegrenzte Möglichkeiten, Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen zu erfahren bzw. pflegen. Es fallen einem sofort jede Art von Hobby ein, geteilte Interessen, Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, politische oder weltanschauliche Überzeugungen, Engagement für soziale oder ökologische Ziele usw.
Beim Entstehen meiner letzten engen und intensiven Beziehung spielten – wie nie zuvor – Bücher eine entscheidende Rolle.

In gewisser Weise scheint das im Widerspruch zu der Einschätzung zu stehen, dass das Lesen (und Hören) von Büchern eine eher individuelle (manchmal vielleicht fast „autistisch“ anmutende) Angelegenheit sei: Schafft doch das Eintauchen in literarische Welten gerade die grandiose Chance, ganz selbstversunken in eigenen Fantasien zu schwelgen.
Natürlich gibt es Bücher-Fans, die das Bedürfnis haben, sich auszutauschen. Das passiert im privaten Bereich und auch öffentlich (sonst gäbe es beispielsweise diese Plattform nicht). Aber eher selten hört man Menschen darüber sprechen, dass das parallele Lesen (Hören) von Büchern so etwas wie ein Fundament für eine Beziehung darstellt(e).

Wenn ich auf meine fast zehnjährige bücheraffine Beziehungszeit zurückblicke, dann fallen mir als erstes einige Bücher von MURAKAMI ein, allen voran die 1Q-84-Reihe. Diese Bücher gleichzeitig (gemeint ist „parallel“) zu durchleben, hatte einen kaum zu überschätzenden Beitrag zum Aufbau eines gemeinsamen „geistigen“ Universums. Das gerade dieser Autor so etwas auslösen konnte, ist sicherlich kein Zufall: MURAKAMI entführt seine Leser/innen immer wieder eine irgendwie „schräge“ Zwischenwelt, in der sich neben der „Normalität“ immer noch eine andere Ebene auftut. Dieses so selbstverständlich und unaufgeregt geschilderte Nebeneinander von mehreren Realitäts-Ebenen vermittelt (Lese-)Erfahrungen, die letztlich nur durch eigenes Lesen/Hören vermittelbar sind. Gemeinsam für einige Wochen in diesem Universum zu verweilen, schafft so etwas wie eine unsichtbare Grenze zur Außenwelt – und eben auch eine exklusive, fast intime Beziehungs-Innenwelt. Ein geflügeltes Wort aus dieser Zeit war für uns: „Es gibt Menschen, die von den zwei Monden wissen, und es gibt die anderen, die Ahnungslosen...“
Auch das Stephen KINGs „Der Anschlag“ hatte damals eine große Bedeutung; auch hier wurden während des Hörens (David Nathan ist ein begnadeter Vorleser) starke Emotionen aus gelöst, die geradezu danach schrien, mit einem „Mitwisser“ geteilt zu werden.

Die Resonanz-Erfahrungen, die durch den Austausch ähnlicher Erlebnisse mit Büchern hervorgerufen wurden, hatten sicher auch deshalb eine besondere Bedeutung, weil die Beziehung auf anderen Ebenen einige strukturelle Erschwernisse und (u.a. zeitliche) Begrenzungen in sich trug. So hatte das Lesen/Hören ganz eindeutig die Funktion, die gemeinsame Beziehungszeit in einer Art zu verlängern und zu intensivieren, wie es in der physikalischen Welt nicht möglich war. Allein die Vorstellung, dass der/die andere ja diese fantastische Metapher, diese einzigartige Wendung auch gerade gelesen hat bzw. in Kürze hören wird, fühlte sich an wie faktisch gelebte Beziehung. Immer wieder tauchten Formulierungen auf wie: „Ich wusste genau, wie es dir an dieser Stelle gehen würde“, oder: „Ich konnte es kaum erwarten, dass du dich über diese Formulierung genauso begeisterst“.

Was passierte nun in dieser besonderen Konstellation als nächstes?
Bevor der weitere Prozess als geradezu „unvermeidliche“ Entwicklung dargestellt wird, muss erwähnt werden, dass die beiden involvierten Personen auch durch ein gemeinsames Fachgebiet (Psychologie) und die Erfahrungen des öffentlichen Schreibens verbunden waren. Mischt man diese Zutaten zusammen, ist es vielleicht nicht besonders überraschend, dass eine „Ursuppe“ entstand, aus der nach und nach (die Evolution braucht Zeit) ein gemeinsames Buchprojekt erwuchs.
Da wundert es am Ende kaum noch jemanden, dass der inhaltliche Fokus nicht auf Oldtimern oder Erlebnisreisen lag, sondern dass die Reflexion über „Beziehungen“ das Samenkorn für eine mehrjährige Wachstumsprozess darstellte.

In einer Art literarischen Zellteilung, veredelt doch zahlreiche Mutationen, entstanden aus den Ursprungsüberlegungen erst ein, dann zwei und schließlich drei Bücher. Wie in der echten Entwicklung der Arten kam es zwischenzeitlich auch zu Abbrüchen; auch wurde der Genpool immer mal wieder gründlich durchgeschüttelt und musst sich neu sortieren.
Da auch geistiges Wachstum per se unendlich ist, stellte sich wiederholt die Frage, wann die Geschöpfe denn nun „fertig“ seien. Die Erfahrung zeigte: Diesen Zeitpunkt muss man einfach brutal und entschlossen selbst setzen – ansonsten wuchern die Gewächse weiter vor sich hin...

Doch die letzte Episode gestaltete sich weit aufwendiger als erwartet: Es reichte nämlich nicht, die drei literarischen Pflanzen auszugraben. Sie bedurften jenseits ihres nährenden Humus einiger Spezialbehandlungen, durch die sie dauerhaft lebensfähig und für andere Interessenten sichtbar und nutzbar werden konnten.
Also betätigen sich die beiden Leseratten und Autoren in den letzten Monaten als Korrektur-Leser, Bildbearbeiter, Grafiker, Layouter, Webdesigner, Social-Media-Aktivisten, Video-Produzenten, Marketing-Planer, Multiplikatoren-Sammler - all das natürlich auf dem Niveau von interessierten Laien.

Jetzt stehen wir da – nach ca. fünf Jahren – und halten es für fast undenkbar, dass die Ergebnisse unserer Züchtung sich in dem extrem artenreichen Urwald in irgendeiner Weise bemerkbar machen können. Wäre diese Erwartung nicht auch völlig vermessen???

Epilog 1:
Warum ich das alles schreibe? Ist es nicht auch einfach eine Form von Marketing?
Ja, auch.
Aber ich fühle mich auf dieser Plattform schon länger wohl und zugehörig. Ich weiß, dass hier viele Menschen sind, die durch eine Liebe zu Büchern und zur Literatur verbunden sind.
Und deshalb freue ich mich auf eure Rückmeldungen: Welche Erfahrungen habt ihr mit der Bedeutung von Büchern in Beziehungen gemacht? Kommen euch Dinge bekannt vor?

Epilog 2:
Alles über unsere Reihe „BeziehungsReich“ erfahrt ihr auf: https://beziehungsreich-online.de
Oder schaut euch ein kurzes Video an:https://www.youtube.com/watch?v=erYQ-Xb0DGw

Epilog 3:
Die Beziehung gibt es immer noch. Wir planen Band IV. Wir hören und lesen bestimmte Bücher immer noch parallel.

Danke für euer Interesse!