Monica Kristensen im Gespräch

Artikel Afrika — Monica Kristensen heute und 1986 während ihrer berühmten Antarktis Expedition auf der Spitze des Heiberg Gletschers

Monica Kristensen Solås ist eine norwegische Glaziologin, Meteorologin, Polarforscherin und Autorin. Sie wurde in in Schweden als Tochter schwedisch-norwegischer Eltern geboren, ehe die Familie nach Norwegen zog. Monica Kristensen Solås hat einen Master-Abschluss in Mathematik und Physik von der Universität Tromsø und promovierte zu dem Thema "Antarktische Eisberge" an der University of Cambridge in England. Sie war mehrmals sowohl in der Antarktis als auch in der Arktis.

1986 leitete sie als erste Frau überhaupt eine Expedition zum Südpol und folgte mit ihrem Team der Route von Roald Amundsen. Aufgrund von Stürmen und Unwettern mussten sie und ihre Kolleg*innen bei 86 Grad Süd umdrehen. Während einer Expedition im Jahr 1993 wurde ein neuer Versuch unternommen. Diesmal wurde das Team von einer Tragödie heimgesucht, als ihr enger Mitarbeiter Jostein Helgestad in eine Gletscherspalte stürzte und starb. Durch ihre Forschungsarbeiten sowohl in der Arktis als auch in der Antarktis hat Monica Kristensen nicht nur wissenschaftliches Interesse geweckt, sondern nahm als Pionierin eine Vorbildfunktion ein, vor allem für Frauen, die in der Wissenschaft arbeiten, und Mädchen, die davon träumen.

Neben Sachbüchern und Expeditionsberichten schreibt Kristensen seit 2007 Kriminalromane, die auf Spitzbergen spielen, und von denen mit +Suche und +In manchen Nächten bislang zwei in deutscher Sprache erschienen sind. Im vergangenen Jahr erschien ihre viel gelobte Biografie +Amundsens letzte Reise, die im September auch als Taschenbuch erscheint.

Ich habe mit der Entdeckerin und Autorin über die Magie der Polarwelt, ihre Faszination für Roald Amundsen und Liebe zum Lesen und Schreiben gesprochen:

Kannst Du Dich daran erinnern, wann und wie Deine Faszination für die Polarregionen begann?

Ich kann mich nicht erinnern, wann genau meine persönliche Faszination für die Polarwelt begann. Doch in meinem kommenden Buch "Empire in the Ice" zeige ich, dass die Beschäftigung der Norweger*innen mit den Polarmeeren wahrscheinlich genetisch bedingt ist - von den Pioniereinwanderer*innen vor 12.000 Jahren bis heute! Ich bin in einer kleinen Stadt nordöstlich von Oslo aufgewachsen, wo die Wintertemperaturen manchmal auf -40 Grad Celsius sinken und es von Oktober bis Mai schneit. Ich habe mit fünf Jahren Skifahren gelernt. Mein Vater nahm mich und meinen Bruder mit auf lange Skitouren in den Wald und auf die umliegenden Berge. Wir tranken Kakao aus Thermoskannen und schälten mit frostigen Händen Orangen. Ich erinnere mich, mit 8 Jahren Bücher aus der Bibliothek meiner Großmutter gelesen zu haben, geschrieben vom dänischen Grönlandforscher Peter Freuchen und dem norwegischen Wissenschaftler Fridtjof Nansen. Später stieß ich auf Roald Amundsen – aber das ist eine eigene Geschichte.

Du hast nicht nur gerne gelesen, sondern auch schon früh angefangen, selbst zu schreiben.

Ich habe eigentlich schon immer Gedichte verfasst und Kurzgeschichten geschrieben. Mein erstes Gedicht habe ich verfasst, als ich fünf war, in einer Badewanne sitzend. Da ich nicht wirklich schreiben konnte, habe ich es auswendig gelernt - und kenne es bis heute. Ich schrieb Tagebuch, sobald ich Briefe lesen konnte, und meine Eltern, Freund*innen und Lehrer*innen gingen immer davon aus, dass ich Schriftstellerin werden würde. Es dauerte, bis ich etwas veröffentlicht habe, da ich Mathematik und Physik studierte und anfing, auf Polarexpeditionen zu gehen. Mein erstes Buch wurde veröffentlicht, als ich 36 Jahre alt war. Inzwichen habe ich 11 Bücher veröffentlicht.

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1986 hast Du als allererste Frau eine Antarktis Expedition geleitet und bist somit in die Geschichte eingegangen. Wie war es für Dich, plötzlich als Pionierin zu gelten?

1986 war eine seltsame Zeit, um als Wissenschaftlerin und Entdeckerin in den Polarregionen zu sein. Meistens waren keine anderen Frauen auf den Expeditionen. Ich habe daher nicht viel über Geschlechter nachgedacht, sondern mich ganz natürlich hauptsächlich mit Männern verglichen. Unsere Expedition war die erste auf den Spuren von Roald Amundsen und gleichzeitig die letzte Hundeschlitten-Expedition. Es wurde als selbstverständlich angesehen, dass ich aufgrund meiner etablierten Karriere und Erfahrung die Leiterin dieser Expedition war, die meine vierte in die Antarktis war. Das wünsche ich mir für alle Bereiche.

Ihr seid auf dieser Expedition auf den Spuren von Roald Amundsen zum Südpol gereist und vor Kurzem hast Du das Buch +Amundsens letzte Reise veröffentlicht. Was macht für Dich die Fasznination um den norwegischen Entdecker aus?

Die Leute haben manchmal den Eindruck, dass ich Roald Amundsen als Helden verehre. Das ist nicht der Fall. Ich interessiere mich für alle klassischen Entdecker, hauptsächlich wegen meines Interesses an der Polargeschichte, aber auch aus menschlicher Sicht. Roald Amundsen interessiert mich sowohl als Entdecker als auch als Mensch wegen seiner Leidenschaften, seiner Reaktionen auf seine Siege, aber auch seine Misserfolge. Ich bin erstaunt, dass sich nicht mehr Menschen und vor allem Norweger*innen dafür interessiert haben, was wirklich passiert ist, als er verschwand. Das habe ich als Anlass für mein Buch genommen.

War es beim Schreiben des Buchs ein Unterschied, dass Du nicht nur wahnsinnig viel über Amundsen studiert und recherchiert hast, sondern auch auf seinen Spuren gewandert bist?

Meine Erfahrungen sowohl als Wissenschaftlerin als auch als Entdeckerin und Polarreisende waren grundlegend, um +Amundsens letzte Reise zu schreiben und eine einzigartige und neue Erklärung und Abfolge der Geschehnisse zu finden, die erklärt, was mit Roald Amundsen und der Besatzung an Bord des französischen Wasserflugzeugs Latham 47 passiert ist.

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Du hast Dein Leben lang beide Polarregionen bereist. Was macht für Dich den Unterschied aus? Hast Du einen heimlichen Favoriten?

Die Antarktis ist eine riesige Eiswüste, eine karge Umgebung, die schön und fremd zugleich ist. Ich spreche hier von der wirklichen Antarktis, nicht von den subantarktischen Inseln. Die Arktis – insbesondere Spitzbergen – kann so mild sein, so angenehm, dass man glaubt, im sprichwörtlichen Neuen Land angekommen zu sein. Die Menschen verlieben sich in die Polarregion auf Spitzbergen. Dennoch kann sie diese Landschaft schnell und in vielerlei Hinsicht töten. Es ist so gefährlich. Aber dennoch verlockend. Also ich denke, du hast deine Antwort.

Welche Rolle können Bücher für den Schutz dieser beiden Naturwunder - der Arktis und Antarktis spielen?

Bücher sind von größter Bedeutung, um die Menschheit und ihren Zustand zu verstehen – unsere Geschichte, Entwicklung und Zukunft. Sie sind das Medium, mit dem die Gedanken der Menschen über ihre Gefühle hinaus beeinflusst werden können. Ich habe leider keine große Hoffnung, dass die Menschheit in der Lage sein wird, den Klimawandel und die Umweltprobleme zu bewältigen, aber egal, was wir schaffen, Bücher werden einen sehr wichtigen Beitrag dazu ausmachen.

Du liebst Wissenschaft und Literatur, hast Du ein besonderes Leseerlebnis aus der Antarktis?

Ich nehme immer Bücher mit auf meine Expeditionen. 1986 hatten wir Gewichtsbeschränkungen, also nahm ich genau so wie die anderen Teilnehmer*innen zwei Bücher mit. Wir haben Bücher getauscht, aber ich bin eine schnelle Leserin, also habe ich immer nach den anderen Büchern gefischt. Einmal riss Jacob, mein Zeltgenosse, sein Buch in zwei Hälften, damit ich die erste Hälfte lesen konnte, während er die zweite beendete. Abgesehen von Roald Amundsens "Ninety Degrees South" und "Captain Scotts Last Expedition - the Journals", die als logistische Hilfe mitgenommen wurden, nahm ich mein abgenutztes Exemplar von 1969 von +Der Herr der Ringe - Die Gefährten von Tolkien und +Calcutta von Geoffrey Moorhouse mit.

Kannst Du uns ein Buch, das in der Antarktis spielt, empfehlen?

Es gibt so viele Bücher, die ich empfehlen kann. Aber ich entscheide mich für den Roman +The Birthday Boys der britischen Autorin Beryl Bainbridge. Es erfasst die groß Härte von Antarktis Expeditionen, aber genau so die Freundschaften und die Opfer der Polarforschung!