Die Lieblinge von Gestern

In unserer Tageszeitung gibt es ganz altmodisch täglich das Fernsehprogramm und dazu Tipps aus der Redaktion. Hin und wieder tauchen darunter einstige Lieblingsfilme oder -serien auf. Nun hat mich das Internet in den letzten Jahren radikalisiert und ich stelle fest, wie sehr sich meine Wahrnehmung verändert hat. Meine cineastische Prägung erfolgte insbesondere in den 1980er bis 2000er Jahren. Was zunächst an der glorreichen Erfindung des Videorekorders lag, die eine Jugend in der Provinz erheblich aufwertete. Ich guckte alle Serien, die das Fernsehen hergab. Die Tage im Dorfleben waren lang. Schule ging nur bis mittags. Dolcefarniente auf Sauerländisch.

Später dann lebte ich in Städten, die über ein reiches Angebot an Kinos und Programmkinos verfügte, in dem ich geradezu badete. Damals war Kino noch bezahlbar. Vor allem stank es nicht penetrant nach Käsefüßenachos.

Es entstand also ein reicher Schatz an Lieblingsfilmen und -serien. Der Zugriff auf Bücher war beschränkt, ein Nichtleserhaushalt, kein Buchladen weit und breit, keine Ahnung, dass die Stadtbibliothek oder die Schulbibliothek auch Nichteingeweihten zur Verfügung gestanden hätte. Soweit die Legende, eine Mixtur aus Erinnerungen und Wirklichkeit.

(Geht es eigentlich nur mir so, dass mir meine Kindheit und Jugend oft wie eine schlecht erinnerte Serie vorkommt? Ich glaube ja, dass das damit zusammenhängt, dass mir damals viele Sätze und innere Bilder fehlten, mit denen ich Erlebtes und Gedachtes klarer erinnern könnte. Sätze und Bilder, die ich mir erst durchs Lesen und durchs Leben aneignete. Vielleicht kein Wunder, dass die meisten Erinnerungen an Früher durch Gerüche und Geräusche aufplöppen.)

Lieblingsfilme. Lieblingsserien. Ja, auch Lieblingsbücher, wiewohl viele davon erst später hinzukamen.

Und mir fällt auf, dass die meisten in einer Welt spielen, die mir aus heutiger Sicht seltsam falsch vorkommt. Eine Welt voller Vorurteile, Klischees und reaktionären Geschlechterrollen. Ich liebte einst die schrägen US-amerikanischen Highschool-Filme - und ertrage sie doch heute allein beim Gedanken daran kaum mehr. Damit bin ich nicht allein. Molly Ringwald im New Yorker: What About “The Breakfast Club”? Revisiting the movies of my youth in the age of #MeToo.

Ich beschließe ein Herbst/Winter-Projekt: Eine Wiedervorlage von einstigen Lieblingen, ob Film, Serie oder Buch, und ich schreibe auf, was ich daran vielleicht immer noch mag und was ich aus heutiger Wahrnehmung als schmerzhaft empfinde.