Rage-Rezensionen

Was ist das überhaupt?

Rage-Rezension setzt sich aus dem englischen Wort "Rage" für Wut und dem Wort "Rezension" (lat. recensio„Musterung, quantitative Prüfung, Bestandsaufnahme“, von recensere„erzählen, aufzählen, zusammenstellen“ [Ja, das habe ich von Wikipedia, haut mich bitte nicht!]) zusammen. Sprich: Eine wütende Musterung, eine energische Bewertung, eine erboste Besprechung.

"Die Rote Königin" oder wie ich meinem Laptop beinahe das Fliegen beigebracht habe...

Ich kam damals auf dieses Wort, nachdem ich "Die rote Königin" von Victoria Aveyard gelesen hatte. Damals, also 2015, war ich, gelinde gesagt, von dem Buch nicht gerade angetan. Nichts an dem Buch hat mich gepackt, dabei hatte ich doch schon so viel gutes über die Geschichte gehört. Zwei Klassengesellschaft, eine starke Protagonistin, ein großes Geheimnis, gewaltige Intrigen und zwei Prinzen... Doch was ich am Ende von er Geschichte hatte war... enttäuschend.

Ich hatte mich tatsächlich durchgequält, in der Hoffnung doch noch so gepackt zu werden wie alle anderen. Doch schlussendlich blieb ich zurück, mit einem enttäuschenden Gefühl in der Brust und einem persönlichen Floppbuch in der Hand. Ich war zorning, wütend, enttäuscht. Und bereit, dieses Gefühl abzulegen, nachdem ich kein weiteres Buch in die Hand nehmen konnte, da ich immer noch jähzornig war.

"Was soll ich nur machen?", fragte ich mich. Damals hatte ich noch nicht viele Freunde, die gerne ein Buch in die Hand nahmen. Geschweige den mir ewig dabei zu hören würden, wie ich mich über ein Buch beschweren würde, dass sie nicht gelesen hatten. Also tat ich das Einzige, was mir in so einer Situation in den Sinn kam.

Ich schrieb. Ich schrieb wie eine Irre! Ich ließ all meinen Frust, meine Wut und meine Enttäuschung raus. Knapp vier Seiten später war ich fertig. Sowohl mit dem Text als auch mit den Nerven. Ich las mir meinen Text an dem Abend auch nicht mehr durch und ging mit einem guten Gefühl ins Bett. Am nächsten Morgen nahm ich ein neues Buch in die Hand, begann zu lesen und vergaß meinen Text.

Bis er irgendwann durch Zufall in die Hände einer Bekannten geraten ist. "Das ist gut", meinte sie. "Vielleicht alles etwas salopp, aber gut! Hast du das schon veröffentlicht?" Veröffentlichen? So eine Hassparade? Im Internet? Wo es jeder lesen kann? Der Angstschweiß brach mir aus jeder Pore und ich konnte nur verängstigt den Kopf schütteln. "Was? Dass musst du veröffentlichen!"

In meinen Gedanken riss ich ihr schreiend die Maus aus der Hand, schmiss den Bildschirm aus dem Fenster und vergrub ihren kalten Körper irgendwo in einem verlassenen Waldstück. In Realität konnte ich aber nur daneben stehen und zusehen wie sie meinen Text kopierte, Lovelybooks öffnete und meinen wütenden Text in das Rezensionsfeld eingab und auf "Senden" drückte. Mir wurde mulmig zumute. Hass auf ein so beliebtes Buch? Konnte das den gut gehen?

Den ganzen Rest des Tages ging es mir nicht aus dem Kopf. Was würde geschehen? Würden die Leute meinen Text überhaupt lesen? Wie würden sie denken? Würden sie sich angegriffen fühlen? Irgendwann steigerte sich meine Angst so hoch, dass ich versuchte sie runter zu drücken. Wer würde schon eine Ein-Sterne-Bewertung lesen? Die meisten wollen bestimmt nur schöne und positive Sachen lesen! Angenehme, die einen Glücklich machen! Da interessiert sich bestimmt keiner für einen Stern. Oder? ... ODER!?

Am Abend traf mich dann der Schlag. Ich hatte in meinem Postfach eine Nachricht. Und über die Tage wurden es mehr. Ich lag natürlich nicht ganz falsch. Einige fühlten sich auf den Schlipps getreten. Aber viele auch nicht. So viel positive Resonanz auf eine so schlechte Bewertung! War das ein Traum? Nein! Tatsächlich nicht. Eine liebe Userin nannte meine Rezension liebevoll "Hass-Rezension", und da ich alles, auch meinen eigenen Namen, gerne ins Englische übersetze, machte ich aus "Hass" schnell "Rage". Meine erste Rage-Rezension war geboren.

Seitdem hat sich einiges getan. Natürlich mag es immer noch nicht jeder, wenn ich/jemand sein Lieblingsbuch so in die Mangel nimmt. Verständlich. Doch ich habe viele Menschen kennen gelernt die es feiern, dass es da draußen jemanden gibt, der Bücher verbal zerfleischt.

Unteranderem zählen dazu zwei meiner engsten Freunde. Die Zwei sind mittlerweile schon soweit, dass sie mir Bücher in die Hand drücken, von denen sie ganz genau wissen, dass ich sie nicht leiden kann, in der Hoffnung, dass ich damit einmal durch den Fleischwolf gehe. (Danke dafür! 😐) Tatsächlich muss ich selber auch gestehen: Es fällt mir leichter.

Vor kurzem habe ich mich darüber mit einer sehr netten Bookstagrammerin unterhalten: das Schreiben von negativen Rezensionen fällt mir leichter als das von positiven Rezensionen. Denn ich argumentiere sehr gerne. Was bei positiven Rezensionen nicht so leicht ist wie bei negativen. Ich kann mich reinsteigern, argumentieren und zeigen, wieso mir was wesshalb nicht gefallen hat. Dass ich dabei manchmal etwas spitz werde weiß ich. Doch damit will ich natürlich niemanden verletzen!

Das wurde mir damals bei "Die Rote Königin" sehr schnell bewusst. Dass es viele Menschen gibt, die sich von so einer Rezension angegriffen gefühlt haben. Doch dies war damals und ist bis heute niemals meine Intention gewesen. Ich schreibe nicht um jemanden persönlich zu verletzen, sondern um meinen Frust freien Lauf zu lassen und vielleicht auch für Menschen, die es sich selber nicht trauen, oder die wie ich, lieber negative Rezensionen lesen als positive. (Im Ernst, mir macht das irre viel Spaß! Vor allem zu Büchern, die ich selber liebe! Die andere Perspektive zu sehen ist so erfrischend und interessant...) Ich schreibe diese Rezensionen, wenn ich merke, dass mich das Buch nicht los lassen wird. Es ist also wie eine eigene Art mich zu therapieren.

Ich bin bei diesen Rage-Rezensionen direkt, frech, zickig, gerne auf etwas pingelig, aber immer ehrlich und niemals darauf aus jemanden (sei es Leser oder Autor) direkt anzugreifen. Mittlerweile verweise ich ja auch oft darauf, zum Fazit zu springen falls man nicht gespoilert werden möchte oder nicht unbedingt lesen will, wie sein Lieblingsbuch zerfleddert wird.

Falls ihr also eines Tages eine Ein-Sterne-Bewertung von mir zu einem eurer Lieblingsbücher seht, dann fühlt euch bitte nicht angegriffen. Und falls ihr eines Tages eine Ein-Stene-Bewertung zu einem meiner Lieblingsbücher schreibt vergesst nicht, mich anzustupsen, dass es da etwas geben könnte was mich interessieren wird ;)

Und bitte kommt nicht auf die birllante Idee mir Bücher vorzuschlagen, von denen ihr hofft, dass ich sie zerfleischen werde. Mein SuB ist schon groß genug... (ಥ﹏ಥ)