Autorengespräch mit Yvonne Adhiambo Owuor

Die kenianische Autorin Yvonne Adhiambo Owuor veröffentlichte ihre ersten Kurzgeschichten in internationalen Literaturmagazinen. 2003 erhielt sie den Caine Prize for African Writing. Ihr Debütroman +Der Ort, an dem die Reise endet (DuMont, 2016) stand auf der Shortlist für den Folio Prize. Darüber hinaus wurde die Autorin, die in Nairobi lebt, dafür mit dem Jomo Kenyatta Prize for Literature ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr erschien mit +Das Meer der Libellen im DuMont Verlag ihr zweiter Roman.

Im Rahmen der Afrika-Woche unserer #LeseReise 2021 habe ich mit der Autorin über ihre Liebe zu Büchern, kenianische Literatur und deren Einfluss auf ihr Werk gesprochen. Darüber hinaus verrät uns Yvonne Adhiambo Owuor ein paar kenianische literarische Geheimtipps.

Kannst Du Dich erinnern, wie Du Deine Liebe zu den Büchern entdeckt hast?

"Die Liebe zur Literatur, die Freude an den Kulturen der Welt – das war schon immer ein Teil von mir, war es doch ein Teil meiner Eltern. Es war Teil meiner Entwicklung und eine meiner Möglichkeiten, der Welt einen Sinn zu geben und in ihr nach Sinn zu suchen."

Was hat Dich inspiriert, selbst zu schreiben?

"Ein buchliebendes häusliches Umfeld, eine Schule, die sowohl das Lesen als auch das Schreiben förderte, ein Land, das ausgiebig liest – sicherlich auch Zeitungen, die das globale Geschehen mittels Geschichten im Auge behalten. Ich war zudem schüchtern und zog die Gesellschaft von Büchern der von Menschen vor. Jahre später, nach einer unternehmerischen Karriere, erlebte ich eine Art künstlerische Wiedergeburt, die es mir ermöglichte, alte Träume wiederzufinden und dem Herzen zu folgen, ein Weg, der mir eine literarische Identität gab."

Jedes Buch und jede*r Autor*in sind einzigartig. Gibt es in der Literatur dennoch etwas, was Du als "typisch kenianisch" bezeichnen würdest?

"Bestimmte Elemente tauchen immer wieder auf, was für uns normal ist, aber von unseren globalen Leser*innen als ungewöhnlich wahrgenommen zu werden scheint: Sprachen vermischen sich in einem Text (wir wachsen mit mehreren Sprachen in einer Umgebung auf, daher ist es für uns keine große Sache); unsere Landschaft, die dazu neigt plötzlich sowohl schön als auch schrecklich aufzutauchen; und selbst in einer Romanze ein kleines politisches Zucken - das liegt einfach in unserer Natur so wie der Stich eines Skorpions; die Sehnsucht nach einem Traum, der den Texten zugrunde liegt; wir warten ungeduldig auf unser Nirwana, mit gebrochenem Herzen aufgrund seiner scheinbaren Unerreichbarkeit; sogenanntes K-Englisch, mit dem wir die Aussage von Chinua Achebe belegen: „Lassen Sie sich nicht von der Tatsache täuschen, dass wir auf Englisch schreiben können, denn wir beabsichtigen, damit noch nie Gehörtes auszudrücken.“ Mit der Palette der Sprachen, deren Hüter wir jetzt sind, haben wir Wunderbares vollbracht!"

Du hast auch in England und Australien gelebt. Haben diese Stationen Einfluss auf Deine Werke genommen?

"Ich war in England für meinen ersten Master-Abschluss in Film-Produktion. Ich dachte, das wäre meine Bestimmung. England beeinflusste mein Schreiben, indem es mir bewies, dass Film-Produktion in keiner Weise meine Berufung war. Ich hätte es wissen müssen: Ich habe mehr Zeit damit verbracht, nach dem England von Tolkien, Austen, Chesterton, Chaucer, Shakespeare, Eliot zu suchen. Der Master of Philosophy in Australien war das Richtige für mich; dadurch habe ich mich den Geschichten verpflichtet. Nachdem ich an die University of Queensland gegangen war, um +Das Meer der Libellen zu schreiben, begann ich mich voller Leichtigkeit als Schriftstellerin zu bezeichnen. Meine Zeit an der University of Queensland war mein tiefes Eintauchen in die Welt der Geschichten und gleichzeitig das Schließen aller anderen Türen - in guten und in schlechten Zeiten, durch dick und dünn, von nun an bis in die Ewigkeit."

Kannst Du denen, die in die kenianische Literatur eintauchen wollen, Bücher empfehlen?

"Ich würde allen Interessierten dringend empfehlen, zuerst die zeitgenössischen Zeitschriften Jalada, Lolwe und auch einige aus anderen Teilen des afrikanischen Kontinents wie Doek, Chimurenga und Imbiza zu abonnieren. Herrliche Kostproben, die einige der Dimensionen und den Umfang skizzieren. Und Schriftsteller*innen aus ganz Afrika schreiben sich gegenseitig auf diesen Plattformen. Ich bin tief bewegt und inspiriert von dieser Grenzverwischung. Darüber hinaus würde ich auf jeden Fall einige der weniger bekannten Giganten empfehlen, die viele heutige Autor*innen, die mit Geschichten experimentieren, inspirieren: +Land Without Thunder and other stories von Grace Ogot, +Coming to Birth von Marjorie Oludhe Macgoye und andere. Ihr solltet außerde dringend nach den kommenden Werken von Parselelo Kantai, Troy Onyango und Idza Luhumyo Ausschau halten. Und nach der baldigen Neuerscheinung +The House of Rust von Khadija Abdalla Bajaber."

Im Oktober erscheint der aktuelle Roman von Yvonne Adhiambo Owuor "Das Meer der Libellen" erstmals im Taschenbuch. Hier kannst Du ihn vorbestellen.

Hier kannst Du mehr über die Afrika-Woche unserer LeseReise erfahren.