Selfpublishing-Buchpreis 2020

Der Selfpublishing-Buchpreis 2020 geht an Sameena Jehanzeb für ihren Roman +Was Preema nicht weiß. Volker Oppmann war Mitglied der Jury und stellt den Siegertitel vor.

Wir befinden uns im Jahr 2036. Die Menschheit hat in Sachen Klima- und Umweltschutz einiges an Anstrengungen unternommen und die Meeresbiologin Preema arbeitet in Keto City, einer jüngst eröffneten schwimmenden Stadt im Mittelmeer, die sich weitestgehend selbst versorgt. Dumm nur, dass sich ein neu entdeckter Komet auf direktem Kollisionskurs mit der Erde befindet. Ist am 13. April 2036 tatsächlich alles zu Ende?

Preema erwacht kurz darauf ohne Erinnerung in einem völlig leeren Raum ohne Schwerkraft und versucht zu rekonstruieren, was passiert und wie sie hier gelandet ist. Wurde sie gerettet? Oder entführt? Und wenn ja, von wem? Sind Außerirdische im Spiel? Eine menschliche Arche? Oder ist sie Teil eines wissenschaftlichen Experiments, das menschliches Bewusstsein simuliert, indem es künstliche Intelligenzen mit menschlichen Erinnerungen füttert? Und wer steckt dahinter?

Preema trifft andere »Überlebende«, die aber merkwürdigerweise aus anderen Zeiten zu stammen scheinen, und erforscht die merkwürdige neue Welt – die sich sämtlichen Naturgesetzen zu entziehen scheint – auf der Suche nach sich selbst.

Ein sehr schönes Detail sind die Illustrationen, welche die Kapitelanfänge zieren. Das, was auf den ersten Blick nach einem ornamentalen Muster aussieht, stellt sich nach und nach als Mosaik heraus, das im Laufe der Geschichte die Form einer Frau annimmt und so das Leitmotiv des Buches widerspiegelt: ebenso wie Preema ihr Ich aus den fragmentierten Bruchstücken ihrer Erinnerung wieder zusammensetzt, entwickelt sich auch das Bild.

Überhaupt ist das Buch ist wie ein Musikstück komponiert, das mit verschiedenen Variationen über ein Thema spielt. Denn wie sich herausstellt, ist die Welt nicht das Einzige, was in Trümmern liegt. Preemas Leben ist ebenfalls zerbrochen, bereits viel früher, durch ein tragisches Ereignis in ihrer Kindheit.

Die vermeintliche Reise in die Zukunft wird durch die bruchstückhaften Rückblenden eine Reise in die Vergangenheit ihrer Hauptfigur, die am Ende genau dort ankommt, wo sie hingehört: im Hier und Jetzt.

Sameena Jehanzeb gelingt es dabei, ihre Leser*innen bis zum Schluss im Unklaren darüber zu lassen, was eigentlich passiert ist und womit wir es zu tun haben. Dem wird auch das Cover gerecht, das in seiner reduzierten Gestaltung zwar die wesentlichen Elemente zitiert, sich aber ebenso wenig festlegen lässt wie die Geschichte, die sich dahinter verbirgt.

e-cover_was-preema-nicht-weiss — Cover: Was Preema nicht weiß {c) Sameena Jehanzeb

Das ist eine Besonderheit, die das Buch sowohl mit seiner Autorin als auch mit dem Preis selbst teilt. Denn die Besonderheit des Deutschen Selfpublishing-Buchpreises besteht ja gerade darin, dass er sich in keine Schubladen pressen lässt und in ein Genre schon gleich gar nicht.

So befinden sich Thriller in einem Wettbewerb mit historischen Romanen, Romance oder Phantastik, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die eigentliche Bandbreite an Einreichungen war natürlich noch wesentlich größer.

Wir hatten in der Jury daher anfänglich auch durchaus die Sorge, ob sich all die verschiedenen Genres und Formen überhaupt vergleichen lassen. Es stellte sich dann aber recht schnell heraus, dass das nicht nur geht, sondern gerade erst den Reiz des Ganzen ausmacht. Denn man liest damit auch Bücher, die man ansonsten vielleicht nie zur Hand genommen hätte und ist überrascht, was und vor allem wie viel sich einem hier bietet.

Letzter Absatz ist daher auch durchaus als Aufforderung gemeint, sich selbst einmal nicht nur die Preisträger*innen vorzunehmen, sondern tatsächlich einmal quer durch die Longlist zu lesen. Ihr werdet es nicht bereuen und von der Qualität der eingereichten Romane hoffentlich genauso begeistert sein wie wir.

Aber zurück zum Buch und seiner Autorin, die sich als kreative Mehrfachbegabung ebenfalls nicht festlegen lässt. Sameena Jehanzeb ist nämlich nicht nur Autorin, sondern auch Grafikdesignerin, Illustratorin und Scherenschnitt-Künstlerin, sodass sich auch bei ihr nicht sagen lässt, was davon sie nun »eigentlich« ist. Sie lässt sich auf nichts davon reduzieren, sondern ist tatsächlich alles. Genau wie ihr Buch.

+Was Preema nicht weiß lässt sich ebenso gut als Science Fiction wie als Geschichte der einen großen Liebe lesen. Oder als Geschichte eines Kindheitstraumas. Oder als Endzeitszenario. Oder als Geschichte eines Mädchens mit indischen Wurzeln, das in einer deutschen Kleinstadt aufwächst. Oder als LBGT Romance. All das trifft zu und eben auch nicht.

Besonders daran ist, was gerade nicht besonders ist: Eine Woman of Colour, die mit den traditionellen Erwartungen ihres Elternhauses bricht, ihren »Verlobten« zugunsten ihrer Karriere verlässt, um am Ende unverhofft ihr Glück in einer lesbischen Beziehung zu finden. All das findet sich im Buch, ist aber eben »kein Thema«, sondern einfach ein Stück gelebter Normalität.

Gleichzeitig lädt das Buch auf vielen unterschiedlichen Ebenen dazu ein, tiefer einzusteigen und sich mit den dargebotenen Themen auseinanderzusetzen. Alles kann, nichts muss. Gerade das macht ein gutes Buch aus: es ist vielschichtig, es bietet Tiefe, aber es lässt sich eben auch gut als Unterhaltung lesen.

Entsprechend einstimmig – auch das eine Besonderheit – fiel das Urteil der Jury aus: Der deutsche Selfpublishing Preis geht in diesem Jahr an Sameena Jehanzeb für +Was Preema nicht weiß und ich gratuliere nicht nur recht herzlich, sondern möchte mich vor allem für die Leseerfahrung bedanken!

Wer das Buch also noch nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen.

Das gleiche gilt übrigens auch für die beiden anderen Shortlist-Kandidat*innen +Der Lehrling des Feldschers von Greg Walters und +Nordblut 1 von Mira Valentin.

sameena-jehanzeb_foto-von_daniel-hammelstein — Sameena Jehanzeb (c) Daniel Hammelstein

Zur Person:

Sameena Jehanzeb wurde 1981 in Bonn geboren und ist im Hauptberuf Grafikdesignerin und Illustratorin, wobei sie sich unter anderem um die Gestaltung der Bücher anderer Autor*innen kümmert.

Seit mehreren Jahren schreibt sie auch selbst. 2017 erschien ihr Debut +BRÏN, bereits im Jahr drauf folgte +Winterhof. Für ihr drittes Buch +Was Preema nicht weiß wird sie nun mit dem Deutschen Selfpublishing-Buchpreis ausgezeichnet.

Mehr über Sameena und ihre Arbeit findet ihr unter:

www.sameena-jehanzeb.de

www.saje-design.de

In der Jury Belletristik zum diesjährigen Selfpublishing Buchpreis saßen:

Jury Belletristik Selfpublishing Buchpreis 2020

Carola Christiansen, Autorin und Präsidentin der Mörderischen Schwestern, einem Netzwerk zur Förderung der von Frauen in deutscher Sprache geschriebenen Spannungsliteratur.

Lena Falkenhagen, Autorin und Bundesvorsitzende des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie Gründungsmitglied des Phantastik-Autoren-Netzwerks (PAN) e.V. Außerdem gründete sie mit Nina George, Eva Leipprand und anderen Autor*innen 2016 das Netzwerk Autorenrechte, indem sich mittlerweile 14 Autorenvereinigungen zur politischen Arbeit zusammengeschlossen haben.

Victoria Linnea arbeitet hauptberuflich als freie Lektorin und Schreibcoach. Sie ist Mitgründerin des Autorenforums Wortkompass, in dem sie junge Autor*innen unterstützt, und Mit-Initiatorin der Plattform sensitivity-reading.de, auf der Sensitivity-Leser*innen kontaktiert, aber auch Informationen zu Sensitivity Reading gefunden werden können. Mit einem Team organisiert sie das Literaturcamp Berlin.

Diana Menschig arbeitet als Autorin und Dozentin. Außerdem ist sie die Vorsitzende des Phantastik-Autoren-Netzwerks (PAN). Wenn sie nicht gerade in fiktionalen Parallelwelten unterwegs ist, teilt sie sich mit ihrem Mann, zwei Hunden, einer Katze und vielen Rennrädern ein Haus am Niederrhein.

Volker Oppmann ist Verleger von ONKEL & ONKEL und Zündkerze bei mojoreads.

C. R. Scott ist eigentlich Mediengestalterin, arbeitet seit dem Erfolg ihres Debutromans „Play My Game – Spiel für alle Sinne“ mit inzwischen mehr als 400.000 verkauften Büchern aber hauptberuflich als Autorin. Sie war bereits mehrfach für den Deutschen Phantastik Preis nominiert und ist aktives Mitglied im Selfpublisher-Verband e.V. sowie im Montségur Autorenforum.

Dany R. Wood ist Reise- und Krimiautor sowie Marketing-Experte. Nachdem sein Debütroman von allen angefragten Verlagen abgelehnt wurde, gründete er 2013 in München kurzerhand seinen eigenen Verlag. 2018 war er mit seinem ersten Krimi »Nur Gisela sang schöner« selbst für den Deutschen Selfpublishing-Preis nominiert (Longlist). Aus dem Krimi ist mittlerweile eine Reihe rund um »Familie Jupp Backes ermittelt« geworden – ein saarländischen Ermittler-Trio, das mit viel Humor auf Verbrecherjagd geht.