Lesen, mehr als nur ein Teil meines Lebens

Die ist eine kleine Antwort an seeker7's Beitrag "Warum lese ich?". Bitte schaut bei ihm vorbei! Ich finde seine Typisierung der Leserschaft sehr gut! Ich würde ihm gerne meinen Grund zeigen, warum ich lese!

Den, wahrscheinlich, wichtigsten Teil meines Lebens war Lesen nicht der wichtigste Teil meines Lebens. Als Kind wurde mir kaum bis gar nicht vorgelesen. Bücher waren nur Dekoration in einem großen Regal und Buchläden waren nur interessant, weil sie in der Nähe vom Spielzeugladen waren.

Ein Buch in meiner Hand war so wirkungsvoll wie Sand am Strand. Gar nicht.

Aber, wann hat sich das geändert?

Lesen wurde irgendwann zu einem Teil meines Lebens, als ein Teil meines Lebens es nicht mehr war. Vielleicht etwas traurig, doch ich will ehrlich sein. Mit dem Lesen angefangen habe ich, als ich nichts anderes hatte. Und das war in einem noch recht jungen Alter.

Von der Schule aus mussten wir Buchvorstellungen machen und ich war tatsächlich die einzige Schülerin in der Klasse, die, neben der Schullektüren, noch nie ein Buch gelesen hat. Ich musste mir also tatsächlich irgendwas zu recht schustern. (Ich muss an dieser Stelle ja nicht erwähnen, dass die Note für sich gesprochen hat.)

Eine meiner Mitschülerinnen hatte ein recht unscheinbares Buch dabei. Ein tief schwarzes Cover, oben steht der Titel in rubinroter Schrift. Darunter ein roter Stein. "Whisper" von Isabel Abedi. Ein mysteriöses, altes Haus. Ein seltsamer Mordfall. Ein junges Mädchen, dass den Fall lösen muss. Aus heutiger Sicht wäre das Buch möglicherweise nicht auf dem Verkaufstresen gelandet. Damals aber war ich gepackt! Ich war begeistert! Und ich habe meine Mutter angefleht mit mir in die nächste Buchhandlung zu fahren um dieses Buch zu kaufen.

Und von diesem Zeitpunkt an... war ich verdammt.

Der Inhalt meines Bücherregals wuchs schneller als man es glauben wollte. Ich wurde aufmerksamer. Tatsächlich wurden meine Schulnoten auch besser und irgendwie wurde ich auch ruhiger - wenn es nach meinen Eltern geht.

Einiges hatte sich verändert. Auch was die schulischen Aspekte anging. Und hier will ich ehrlich sein: Ich hatte keine schöne Schulzeit. Wirklich nicht.

Und hier kommt das Lesen ins Spiel.

Den Schule, Bildung, eigenständige Weiterbildung und die Freude daran waren ein wichtiger Teil meines Lebens, welcher mir irgendwann genommen wurde (ich will euch gar nicht mit traurigen Details aufhalten!) und ich habe mir etwas gesucht womit ich das irgendwie ersetzen konnte.

Es fing an mit der "Warrior Cats"-Reihe von Erin Hunter, einer Reihe von der ich mich bis heute nicht lösen kann, auch wenn der letzte Band den ich gelesen habe bestimmt schon drei Jahre oder so alt ist! Später kam die "Skulduggery Pleasant"-Reihe von Derek Landy dazu. Irgendwann bin ich auf "Die Tribute von Panem" gestoßen und ein Feuer in mir wurde entfacht, von dem ich nicht wusste, dass es irgendwo in mir schlummerte.

(Achtung, jetzt wird es sehr... "tiefgründig")

In den Stunden, wo die Welt um mich herum am dunkelsten war, brannte dieses Feuer heller als alles andere. Und Lesen wurde nicht nur zu einem Teil meines Lebens, sondern erweiterte es noch um einiges.

Über verschiedene Foren fand ich Freunde (eine hat mich sogar zu meinem User-Namen gebracht, den ich mittlerweile überall benutze! Und das war damals 2010!) und konnte mich mit ihnen austauschen. Nicht nur über meine liebste Clan-Katze oder welche "Warrior Cats"-Band der spannendste war! Ich habe andere Genre kennen gelernt, neue Bücher gefunden, neue Leute kennen gelernt. Leider nur virtuell.

Es ging sogar soweit, dass ich "Buchfreunde" im echten Leben treffen durfte! Es hat sich eine ganz neue Welt für mich geöffnet. Irgendwann stieß ich dann auf Lovelybooks, fing mein Buchjournal an, nahm an Verlosungen teil und tauschte mich im größeren Rahmen mit anderen über Bücher aus! In meinem näheren privaten Umfeld war das leider nicht der Fall. Ich war eine Rarität unter den Erwachsenen! Eine Jugendliche die gerne las! Und viel las! UnGlAuBlIcH!

Das alles änderte sich noch einmal grundlegend vor knapp drei Jahren mit dem beginn meiner Ausbildung zur Buchhändlerin. Ich konnte es nicht glauben. Ich darf mein größtes Hobby, meine größte Leidenschaft zu meinem Beruf machen!

Doch der Beginn der Ausbildung wurde von einer großen Angst begleitet: Berufsschule. Wie ihr wisst, war Schule kein schönes Erlebnis für mich und so hatte ich entsprechend Angst davor. Zitternde Knie, schwitzige Hände, Herzrasen und unruhige Nächte. "Doch", sagte ich mir "das kriege ich hin! " Wenn ich dafür meinen Traumberuf erlernen durfte!

Der Tag war gekommen und ich saß zwischen meinen neuen Mitschülern, die ich jetzt für die nächsten drei Jahre haben werde. Und was soll ich sagen? Meine Angst? Sie war weggeblasen. Hatte ich denn wirklich vergessen, wie Leser ticken? Das Lesen etwas ist, das verbindet? Selbst wenn man nicht das gleiche liest?

Direkt am ersten Tag brach eine gewaltige Diskussion aus, zwischen den Sci-Fi-Liebhabern und den Fantasy-Fanatikern. Es wurden Buchtipps ausgetauscht, ich habe Menschen getroffen, die die gleichen Bücher gelesen haben wie ich, sie aber ganz anders aufgefasst haben als ich. Ihr müsst wissen... das war für mich das erste mal, dass ich in einer Booknerd-Herde gelandet bin, die ich nicht über das World Wide Web kennen gelernt habe. Das Lesen hat sich für mich seit dem verändert. Ich habe Empfehlungen bekommen und gegeben, habe Bücher gelesen, die ich so nie in die Hand genommen hätte und bin in Fandoms gerutscht, aus denen ich wahrscheinlich so schnell nicht rauskommen werde. Ich habe Bookpuns kennengelernt. Endlich Goodreads für mich entdeckt. Konnte mich mit Freunden treffen und direkt über das neuste Buch ablästern, dass mir absolut nicht gefallen hat, nur um herauszufinden, dass meiner Freundin das Buch super gefallen hat!

Und das Beste? Wir wurden nicht wütend. Ich persönlich kann mit den Colleen Hoover Büchern nichts anfangen. Meine beste Freundin findet Dystopien absolut furchtbar. Und doch verbindet uns das Lesen.

Lieber seeker7, ich würde mich in deiner Typisierung in die Kategorien 3, 4 und 5 ein ordnen!

Über die Jahre hat sich einiges geändert in meinem Leben, dabei bin ich noch gar nicht so alt! Ich bin durch viele Höhen und Tiefen gegangen, hatte schwere Zeiten, aber auch gute, sonnige Zeiten! Ich habe Freunde verloren und neue gefunden! Und das alles dank meines liebsten Hobbys, meiner größten Leidenschaft: Dem Lesen.

Lesen ist mehr als nur ein Teil meines Lebens. Ohne das Lesen wäre ich nicht an der Stelle in meinem Leben an der ich jetzt bin, würde nicht die Leute kennen die ich jetzt kenne und hätte nicht die Freunde, die ich nun meine Familie nennen kann.

Mit dem Lesen verbinde ich eine tiefe Freundschaft, eine schmerzliche Liebe und immer wieder fühlt es sich an, wie nachhause kommen, wenn ich ein Buch in die Hand nehme, das Cover umklappe, zu den ersten Seiten blättere und die ersten Zeilen lese...

Als Kat singend von der waldumsäumten Bundesstraße in die schmale Zufahrtsstraße bog, sah Noa zum ersten Mal das Dorf.

Aus "Whisper".