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mabuerele

Posted on 18.11.2022

„...Hier unter der Erde begegnete Luisa all den alten Geschichten ihrer Familie. Ihr Urgroßvater Wilhelm hatte sie in einer Mappe gesammelt, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde...“ Luisa ist Vermessungstechnikerin bei der Wismut GmbH. Ehrenamtlich führt sie außerdem durch das Schaubergwerk in Bad Schlema. Während der heutigen Führung kommen ihr kurze Erinnerungen an die Geschichte von Bad Schlema, die eng verwoben ist mit der Geschichte ihrer Familie. Die Autorin hat einen beeindruckenden Roman geschrieben. Er zeichnet sich durch seine Vielschichtigkeit aus. Außerdem ist in jeder Zeile die exakte und umfangreiche Recherchearbeit der Autorin zu spüren. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Durch den Wechsel von Vergangenheit zu Gegenwart sorgt er für einen hohen Spannungsbogen. Hilfreich ist außerdem der Stammbaum der Familie Steiner in der ersten Umschlagseite. In der Gegenwart macht sich Luisa auf die Suche nach ihrem verschollenen Onkel. Von dem fehlte von einem Tag auf den anderen jede Spur. Die Vergangenheit beginnt im Jahre 1908. Damals arbeitete Johann Steiner als Bergmann. Wichtige Ereignisse des Ortes und des Landes werden mit persönlichen Erlebnissen verknüpft. „...Die Männer der Steiners waren wie der Berg, in dem sie früher geschuftet hatten, Verschlossen, hart und grundsolide...“ Sehr gut werden die Arbeiten im Bergbau geschildert. Schon Kinder wurden mit einbezogen. Sie wachsen in die Arbeit hinein und mit den Jahren die Aufgaben. „...Die Scheidebank war ein großer Raum, angefüllt mit Steinhaufen, Erzstaub und Lärm. Hier schied sich die Spreu vom Weizen. Wilhelm setzte sich neben eine Scheidejungen, den er kannte...“ Viele erzgebirgische Traditionen finden in der Geschichte ihren Niederschlag. Es war die Sehnsucht nach Licht, die diese einst begründet hatte. So zeigte die Anzahl von Bergmann und Engel im Fenster zu Weihnachten, wie viele Kinder jedes Geschlechts in der Familie lebten. Das Licht leuchtete den Vätern, die im Dunkeln aus der Grube kamen. 1013 kommt die erste Wende. Die Pechblende unter Schlema will keiner, dafür aber das Radonwasser. Doch der Erste Weltkrieg bremst den aufstrebenden Kurort aus. Die Bergleute lassen sich nicht von der Kriegseuphorie anstecken. Johann sieht das so: „...Ein Bergmann reift im Berg zum Mann und nicht im Feld...“ Das Radonwasser gilt als Allheilmittel. Von den Gefahren weiß man noch nichts. Ab und an blitzt in der Geschichte eine feine Ironie auf. Immer wieder werden auch wichtige Veränderungen in der Umgebung einbezogen. So besucht die Familie das Strandbad am Filzteich in Schneeberg oder die Rennstrecke in Hohenstein-Ernstthal. Der Zweite Weltkrieg geht zwar an der Familie nicht vorbei, aber alle überleben. Danach sind plötzlich wieder Bergleute gefragt. Es beginnt die Zeit der Wismut und des Uranabbaus. „...“Wir sind nun besetztes Gebiet“, sagte Wilhelm nachdenklich. „erst haben wir denen alles weggenommen, Jetzt nehmen die uns alles weg.“...“ Sehr detailliert werden die Vorteile, aber auch die Nachteile der Arbeit in der Wismut erzählt. Es lockt das Geld und die bessere Versorgung. Gefahren werden ausgeblendet. Wie groß die waren, zeigt der Strang der Gegenwart und Rudolfs Schicksal. Christian, Wilhelms Bruder, arbeitet im Steinkohlerevier in Zwickau. Dadurch werden auch die Bergbauunglücke, die es dort gab, thematisiert. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt ein Stück erzgebirgischer Geschichte mit allen Auf und Ab. Gleichzeitig thematisiert es den Stolz und den Zusammenhalt der Bergleute.

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