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mabuerele

Posted on 24.10.2022

„...Lassen Sie sich ein Nacht lang aus ihrem Alltag entführen – bei uns ist nichts wirklich, aber alles ist echt, nichts gelogen, aber alles erfunden, nichts unschätzbar, aber alles unwiederbringlich...“ Mit diesen Worten lädt mich die Autorin selbst ein, in die Welt des Varieté und des Berliner Wintergartens einzutauchen. Sie aht einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Der Schriftstil hat mich begeistert. Die Autorin beherrscht das Spiel mit Worten und kreiert eine Einheit von Form und Inhalt. Das Buch beginnt Heftig. Die 16jährige Nina wartet 1917 sehnsüchtig darauf, dass der Vater nach Hause kommt. Doch der Reiter, der vor dem Haus hält, bringt eine Todesnachricht. Mittlerweile sind 4 Jahre vergangen. Oma Hulda und Carlo, Ninas Zwillingsbruder kümmern sich um das Gut. Sie wollen Reitpferde züchten. Hulda charakterisiert die Frauen der Familie so: „...Meine Schwiegertochter ist ein Prinzesschen und meine Tochter ein Sperling – beide entzückend, aber ganz und gar lebensunfähig. Ich kann es mir schlicht nicht leisten, alt zu werden...“ Nina hat schon als Kind Theaterstücke auf dem Hof inszeniert. Nun macht ihr die Familie ein besonderes Geschenk. Vor allem Carlo glaubt, dass dies auch im Sinne ihres Vaters ist. Nina soll nach Berlin gehen und ihr Glück am Theater versuchen. An ihrer Seite tauche ich tief in das Berlin der 20er Jahre ein. Alles ist möglich, so scheint es. Doch für Nina kommt eine harte Zeit. Sie muss sich durchbeißen. Eine Frau am Regiepult? Das geht gar nicht! „...Theater ist eine Illusion, Theater ist ein Festival für die Sinne. Theater hat nichts mit Alltag und schon gar nichts mit Politik zu tun...“ Das galt viele Jahre. Aber die Zeiten haben sich geändert. Man will vergessen und sich amüsieren. Doch das Leben wird von Tag zu Tag teurer. Nina kann nicht nur ihrer Kunst leben, sie nimmt einen Job an. Als Nina eine Aufführung im Wintergarten sieht, weiß sie, was sie will. Sie sucht sich Frauen und fördert deren Begabung. Sie bereitet eine Show vor. Mit ihnen will sie einen Vertrag im Wintergarten. „...Es ist alles im Entstehen, im Fluss, noch nicht festgelegt. Ein Gebilde aus Leichtigkeit, dass sich jeder Zeit ändern kann, wenn einem eine bessere Idee kommt oder man die alte satt hat. So habe ich Theater gespielt, als ich ein Kind war...“ Es zeigt sich, dass Berlin ein Schmelztiegel vieler Nationen ist. Jede Person, mit der Nina arbeitet, stammt aus einer anderen Ecke der Welt. Es sind spannende Schicksale, die da erzählt werden. Ganz nebenbei wird auch die aktuelle Politik gestreift. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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