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stefan182

Posted on 23.10.2022

Ein poetisch geschriebener Roman, der sich empathisch mit dem Thema "Trauer" auseinandersetzt Inhalt: Seitdem Johanne Mohn gestorben ist, ist für die Familie Mohn nichts mehr so, wie es mal war. Vater Adam ist schlichtweg überfordert mit der Situation, der jüngere Sohn Micha zieht sich in sich selbst zurück, die Tochter Linne beginnt, sich mit anderen Kindern zu prügeln, und der älteste Sohn Steve versucht irgendwie, die Familie durchzubringen. Erschwerend kommt hinzu, dass alle den Mitgliedern der Familie Mohn vorschreiben, wie diese zu trauern (oder besser: nicht zu trauern) haben. Doch dann treffen die Mohns auf drei Personen, die nicht unterschiedlicher sein könnten: einen schweigsamen Riesen, der auf dem Friedhof sitzt, eine Obdachlose, die einen Ball Gassi führt, und eine Handwerkerin, die Besonderes herstellt – Begegnungen, die das Leben der Mohns verändern werden. Persönliche Meinung: „Schlangen im Garten“ ist ein Gegenwartsroman von Stefanie vor Schulte. Erzählt wird der Roman hauptsächlich aus den personalen Erzählperspektiven von Adam, Linne, Micha und Steve (später treten noch weitere Erzählinstanzen/-situationen hinzu, die ich aber hier nicht spoilern möchte). Inhaltlich dreht sich der Roman um das Thema „Trauer“ und den Verlust eines geliebten Menschen: So werden in emphatischer Weise einerseits die Trauerrituale der Mohns ausgeführt, andererseits die individuellen Bewältigungsstrategien der einzelnen Familienmitglieder erzählt. In diesen Trauerprozess treten immer wieder weitere, empathielose Figuren ein, die den Mohns vorwerfen, sie würden falsch trauern. Besonders die Nachbarn der Mohns bombardieren diese mit (scheinbar) weisen Ratschlägen, obwohl sie die Mohns wenig bis gar nicht kennen. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker häufen sich phantastische Elemente, sodass die Handlung immer mehr in Richtung magischer Realismus tendiert. So entsteht bei „Schlangen im Garten“ ein schönes Wechselspiel zwischen erzählter Wirklichkeit und dem Wunderbaren, bei dem man letztlich nicht eindeutig zuordnen kann, was tatsächlich die erzählte Wirklichkeit und was das Wunderbare ist. Dadurch zieht sich eine latente Spannung durch die Handlung. Nicht alles wird innerhalb der Handlung von „Schlangen im Garten“ geklärt, vieles bleibt offen. Diese Offenheit des Romans passt aber sehr gut zu seinem Inhalt: Auch auf die im Roman aufgeworfene Frage, wie man „richtig“ trauert, kann es keine allgemeingültige Antwort geben; jede*r muss einen für sich passenden Weg finden. In diesem Sinne spiegelt sich die Offenheit der Frage nach dem „richtigen“ Trauern gewissermaßen im offenen Ende des Romans. Der Schreibstil von Stefanie vor Schulte ist sehr poetisch und metaphernreich, sodass man – obschon man ein Prosawerk liest – oft den Eindruck hat, Lyrik vor sich zu haben. Durch diesen lyrischen Ton entstehen während der Lektüre einige schöne und eindrückliche Bilder. Insgesamt ist „Schlangen im Garten“ ein poetisch geschriebener, z.T. surreale Bilder erzeugender Roman, der empathisch mit dem Thema „Trauer“ umgeht, allerdings auch Fragen offenlässt. Diese Offenheit hat mich aber weniger gestört, da sie zum Inhalt des Romans passte.

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