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naraya

Posted on 16.10.2022

Der Erste Weltkrieg stellte die Medizin vor riesige Herausforderungen. Obwohl neue Kriegstechniken vermeiden sollte, dass sich Mann gegen Mann auf dem Schlachtfeld gegenüber stand, waren es gerade jene Waffen wie Flammenwerfer, Panzer oder chemische Stoffe, die noch verheerendere Wunden zufügten, als je zuvor. Da erscheint es auch nur konsequent, dass sich aus diesen Gräueln bahnbrechende Techniken in der plastischen Chirurgie entwickeln sollten. Im Gegensatz zum Verlust eines Beines oder Armes war eine Verletzung im Gesicht für die Betroffenen anstatt mit Heldentum, mit Ekel und Verachtung gepaart. Umso wichtiger war es für sie, dass ihre Verletzungen bestmöglich versorgt und die Gesichtszüge wieder hergestellt werden konnten. Lindsey Fitzharris hat mich bereits mit ihrem ersten Buch „Der Horror der frühen Medizin“ überzeugt, in welchem sie die Geschichte des Arztes Joseph Lister und seinen Kampf gegen die desaströsen Zustände in der Wundversorgung schildert. In „Der Horror der frühen Chirurgie“ begleiten wir nun den Chirurgen Harold Gillies, der in seiner Spezialklinik während des Ersten Weltkrieges zahlreichen Männern ihr Gesicht und damit ihre Hoffnung wiedergab. Dabei verwendet die Autorin erneut ihren gekonnten Mix aus erzählendem und Sachtext. Neben dem medizinischen Wissen und den Berichten über das Kriegsgeschehen, verfolgen wir auch immer wieder die Schicksale einzelner Soldaten oder des Klinikpersonals. Diese Art zu erzählen macht es möglich, dass wir das Gefühl haben, Geschichte hautnah mitzuerleben. So lesen wir zum Beispiel von dem Professor und Maler Henry Tonks, der sich mit 52 Jahren Gillies‘ Klinik als Porträtzeichner zur Verfügung stellte, um die Veränderung der Gesichtszüge vor und nach der Operation zu dokumentieren. Oder von dem schwer verwundeten Soldaten Stanley Girling, dem sein Bruder Leonard durch die damals noch nicht ausgereifte Technik der Blutransfusion das Leben rettete – er selbst verstarb einem Tag später an einem Kreislaufzusammenbruch. Eine harte, aber wichtige Lektüre – leider ohne die unterstützenden Fotos der Originalausgabe.

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