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renee

Posted on 9.9.2022

Ein Schrei nach Liebe Im Mittelpunkt dieses fordernden und gleichzeitig auch triggernden Buches steht ein ambivalenter und auch unsteter Charakter. Es geht hier in "Eine Liebe" um Nat, eine junge Frau, die alleinlebend in einem kleinen Dorf einen Neuanfang beginnt. Und dieser Charakter der Nat hat es in sich! Denn mit ihrem unsicheren und gehemmten Verhalten einerseits, dann wieder mit gewissen obsessiven Elementen und mit einem besserwisserischen Ton, der besonders den Stadtbewohnern in neuer dörflicher Umgebung eigen ist und auch mit einem trotzigen, fast kindlichen, um sich selbst kreisenden Denken macht es diese Nat der Leserschaft nicht einfach. Man gerät schnell in das Fahrwasser diesen Charakter zu verurteilen, abzulehnen, unglaubwürdig zu finden und fragt sich sehr, wohin die Reise in diesem Buch geht. Dennoch liest sich das Ganze spannend und auch soghaft weg. Ich habe mich bei der Lektüre gefragt, warum dieses Buch ausgezeichnet wurde, denn dieser ambivalente Charakter Nat macht etwas mit mir, er triggert mich, eine Abscheu und ein Widerwillen dieser Frau gegenüber entsteht in mir und dieses Empfinden lässt mich dieses Buch negativ bewerten. Und genau diese Intensität muss man als Autor ja auch erst einmal erreichen können, genau diese Empfindung in mir erreicht ja die Autorin in dem sie ihren Charakter nur berichten lässt. Dann fragt man sich als Leser wieder nach dem Warum. Warum ist Nat so ambivalent und auch so sprunghaft? Warum entsteht dieser Gedanke der Unglaubwürdigkeit? Dadurch, dass die Erzählstimme des Buches Nat ist, begrenzt der Charakter selbst auch die Sichtweise auf sich selbst, zu einer Reflektion des eigenen Verhaltens erscheint Nat unfähig. Nats unsichere und um sich selbst kreisende Denke strengt an, ihr ständig alles Tun der Anderen auf sich selbst beziehen nervt gewaltig. Dennoch zeigt diese Beschreibung auch recht gekonnt das Innenleben eines ungewöhnlichen Menschen. Die Erklärung des Warums kommt, aber nur als kleiner Einwurf, der etwas zu unausgeformt und unausgefüllt erscheint. Aber der Erzählstimme Nat ist etwas anderes nicht möglich. Ihre Vergangenheit sitzt ihr als schwerer Fels im Nacken und bestimmt ihr Leben, steuert sie und macht ihr Leben extrem schwer. Aber diese Erkenntnis kommt mir erst sehr spät bei der Lektüre, was einerseits ja nachvollziehbar ist, aber auch als Nachteil des Buches und der Handlung gedeutet werden kann. Daher blieb ich lange bei meiner anfänglichen Punktevergabe von drei Punkten, obwohl ich innerlich schon sehr geschwankt habe. Denn diese Intensität, dieses negative Schwingen, was dieser Charakter in mir erreicht, erzielt, ist außergewöhnlich und auch perfekt gelungen. Und genau wegen diesem perfekt gelungenen Psychogramm von Nat erhöhe ich schlussendlich meine Punkte auf vier Punkte, denn diese Intensität in mir gehört gewürdigt. Ich verlange ja immer, dass ein Buch etwas mit mir macht. Und voilà. Genau dies macht dieses Buch! Auch der Titel des Buches klingt markierend und auch etwas unpassend. Vielleicht wäre die Übersetzung Liebesabenteuer besser gewählt gewesen, denn nach einer Liebe sucht man in diesem Buch vergeblich. Aber im Klappentext steht ja auch "Dies ist keine Liebesgeschichte - oder etwa doch?". Aber was ist dies? Ein Schrei nach Liebe. Ein gequälter Geist. Ein unendliches Grauen! Und wenn man bedenkt, warum dies passiert, denn Nat ist hier nur ein Beispiel, wird man wütend!

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