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Yvonne Franke

Posted on 13.7.2022

Als ich vor ein paar Jahren eine Fernsehserie geschrieben habe (die Produktionsfirma ist dann doch abgesprungen und die Serie wurde nie gedreht), habe ich mir manchmal Interviews mit großen Vorbildern auf diesem Gebiet angesehen. Einmal auch eines mit Vince Gilligan, der die Serie Breaking Bad entwickelt hat. Wenn er und sein Team nicht weiterkamen beim Schreiben der Serie, sagte er, haben sie sich immer gefragt: "Was wäre jetzt das absolut Schlimmste, das passieren könnte?" Ich glaube, dass Helene Hegemann dieses Interview auch gesehen hat, als sie die Stories schrieb, die sie jetzt unter dem Titel "Schlachtensee" veröffentlicht hat. Manchmal träumen ihre Protagonist*innen die schlimmsten Träume, die man sich vorstellen kann, manchmal sind es grausame, von Alltagssituationen getriggerte Fantasien. Dann wieder ein Skiunfall oder ein von einer Katze genüsslich nur halb getöteter Vogel. All das in einer Sprache, die einen quasi immer weiter ins Verderben reißt, weil Hegemanns Bilder so stark sind, dass man das nächste sehen will, komme was da wolle. Und jeder herausragende Oberschenkelknochen, jeder im Traum aus dem freigelegten Jochbein herausoperierte winzige Ghettoblaster ist letztlich notwendig. Denn man kann sich darauf verlassen, dass für Helene Hegemann das Grausame ein Vehikel ist, um Empfindungs-Gewohnheiten auf den Kopf zu stellen. Dass sie daraus Gedanken entwickelt, die anders keinen Nährboden gefunden hätten. Und das ist wunderschön an diesen Texten, auch, wenn ihr Refrain aus schwarzen Blutergüssen gemacht ist.

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