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kingofmusic

Posted on 16.5.2022

Tragischer Held „Ich möchte lieber nicht.“ Diesem nur vier Wörter umfassenden Satz entspringt eine selten erlebte (literarische) Traurigkeit auf der einen, humorvoll-groteske Verweigerungshaltung auf der anderen Seite. Seit kurzem gehört dieser Satz zu denen, die ich mein Lebtag nicht mehr vergessen werde. Hermann Melville kennen die meisten von uns als Autor von „Moby Dick“. Mit „Bartleby, der Schreibgehilfe“ hat er aber zwei Jahre später eine Kurzgeschichte veröffentlicht, die ebenso zum Kanon der Weltliteratur gehört und nun in einer quietschgelben und farbenfrohen Version im Penguin-Verlag erschienen ist (übersetzt von Elisabeth Schnack und mit einem Nachwort von H. M. Compagnon versehen, der die Erzählung und Bartleby in den literatur-(historischen) Kontext stellt). Erzählt wird die Geschichte eines tragischen Helden und dem ersten verewigten und auch sympathischen „Arbeitsverweigerer“ der Literatur, der aber auch Mitleidempfinden auslöst. Der Ich-Erzähler, ein New Yorker Anwalt Mitte des 19. Jahrhunderts erzählt rückblickend die Geschichte seines Angestellten Bartleby, den er auf Grund höherer Arbeitsbelastung eingestellt hat. Von vornherein „glänzt“ Bartleby durch seine pflichtbewusste Arbeitsweise, seine kaum wahrnehmbare Anwesenheit (ja, hört sich kurios an, ist aber so). Doch dann... …fällt der bereits oben zitierte Satz. Und es beginnt eine tragikomische Odyssee, in der sich die Lage immer weiter zuspitzt, bis sie in einer Tragödie endet, die so nicht abzusehen war. Während andere literarische Figuren, nach denen Bücher oder Geschichten benannt sind (Oliver Twist, Nikolas Nickleby etc.) „episch“ breit ausgelegt sind, bedarf es hier nur gut 80 Seiten, um alles (oder nichts) über das Leben des Bartleby zu erfahren. So oder so: ich habe ein klares Bild von Bartleby vor Augen, bringe ihm den tiefsten Respekt entgegen (ich wünschte mir gelegentlich, ich hätte auch diese notwendige „Durchschlagskraft“, um meiner Vorgesetzten ein „Ich möchte lieber nicht.“ entgegenzuschmettern, damit sie evtl. versteht – ach, lassen wir das *g*) und habe genauso viel Mitleid mit ihm. Die Erzählung wird meine Stammbibliothek in jedem Fall nicht mehr verlassen :-). Somit ganz klare 5* und eine zeitlose Leseempfehlung! ©kingofmusic

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