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Gabriele

Posted on 3.5.2022

„Ich bin mir sicher, dass ich wieder wahnsinnig werde: Ich habe das Gefühl, dass wir nicht noch eine dieser schrecklichen Zeiten durchmachen können. Und dieses Mal werde ich nicht wieder gesund. Ich fange an, Stimmen zu hören, und kann mich nicht konzentrieren“, schrieb Virginia Woolf am Dienstag, dem 18. März 1941 an ihren Mann Leonhard. Zehn Tage später ging die erfolgsverwöhnte Autorin 59jährig in den Freitod. Angeblich hatte sich die Manisch-Depressive kurz nach ihrem vierzigsten Geburtstag schon vorgenommen, niemals 70 zu werden. Michael Kumpfmüller versucht sich der Schriftstellerin in diesem Roman über ihre letzten zehn Tage anzunähern. Er vertieft sich in ihre Gedankengänge, die voller Selbstzweifel, Überdruss, Müdigkeit und Unzufriedenheit sind. Es wird deutlich, wie sie sich im Kreis dreht und mit dem Kopf gegen die Wand schlägt. Kumpfmüller malt Virginias Mann Leonhard als einen einfühlsamen, besorgten Menschen, der neben seiner Frau den Garten liebt und pflegt. Sie ist im Gegensatz zu ihm launenhaft und unberechenbar, sich selbst oft fremd. Sie träumt davon, in ihrem Schreibpavillon zu arbeiten, weil sie sich schreibend ganz fühlt, aber sie bringt nichts mehr zustande. Erbaulich ist sie nicht, diese Lektüre. Doch ausgesprochen interessant, auch wenn ich mich frage, ob es überhaupt möglich ist, von außen auf so einen kranken Menschen zu schauen. Sicherlich haben Tagebuchaufzeichnungen geholfen, in die Kranke hineinzuschlüpfen. Obwohl ich mich als Leserin oft wie hinter einer Mauer fühlte, konnte ich das Buch nur schlecht aus der Hand legen. In meinen Augen eine großartige schriftstellerische Leistung!

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