Profilbild von Fina

Fina

Posted on 30.3.2022

Gestaltung: Wenn ich das Cover hier und da online gesehen habe, ist es mir definitiv ins Auge gestochen. Es wurde vom englischen Original übernommen und fängt sehr gut die historische, geheimnisvolle und extravagante Stimmung der Geschichte ein. Der Titel klingt erst mal etwas lang und sperrig, ist aber besonders und lädt dazu ein, Rätsel zu knacken und auf Spurensuche zu gehen. Ich bin sehr froh, dass mich das Cover angesprochen hat, auch wenn es nicht der ausschlaggebende Punkt für mich war, das Buch genauer anzuschauen. Darum geht's: Mary Jekyll gerät nach dem Tod ihrer dem Wahnsinn verfallenden Mutter in Geldnöte, da niemand mehr da ist, der bisher die Familie über Wasser gehalten und das Personal bezahlt hat. So werden alle Bediensteten entlassen und gemeinsam mit ihrer Haushälterin Mrs. Pool muss Mary Wege und Mittel finden, an Geld zu kommen. Da kommt es ihr gelegen, dass sie auf ein verstecktes Konto ihrer Mutter stößt, von dem in den letzten Jahren Geld für einen unbekannten Zweck abgegangen ist. Mary begibt sich auf die Suche nach dem Empfänger und gerät gemeinsam mit Sherlock Holmes in eine Verstrickung aus mysteriösen Morden und einer geheimnisumwobenen Alchemisten-Gesellschaft... Idee/ Umsetzung: Ich war zuerst unschlüssig, ob dieses Buch meinem Beuteschema entspricht. Ich bin in den letzten Jahren von historischen Settings abgekommen und lese nur noch äußerst selten historische Romane und Liebesgeschichten. Hier befinden wir uns mit Mary im 20. Jahrhundert, sind also doch ziemlich historisch unterwegs. Aber dieses Setting brauchen wir, denn diese Zeit ist das Zuhause vieler fantastischer Klassiker, womit wir auch schon zur Grundidee kommen. Die Autorin lässt hier die Töchter bekannter Horror-Figuren der Literatur zu Wort kommen. Mary ist die Tochter von Dr. Jekyll, wir begegnen Mr. Hyde, Frankensteins Monster und noch einigen mehr. Ich muss gestehen, dass ich die literarischen Vorlagen zu keiner der Geschichten kenne und mir beim Lesen manchmal gewünscht hätte, mehr Informationen zu haben, aber es hat meinem Lesevergnügen dennoch keinen Abbruch getan. Auch das Universum rund um Sherlock Holmes wird ganz wunderbar eingewoben. Da wir uns in Kriminalfälle verstricken, kommen Sherlock und Watson natürlich gerade recht, aber auch Nebenfiguren wie der Polizeikommissar oder die Haushälterin kommen vor. Möglicherweise klingt diese Geschichte etwas eingestaubt oder nach dem Versuch, aus den älteren Werken nochmal Profit zu schlagen, aber das ist gar nicht der Fall. Die Autorin hat hier eine ganz eigene, frische Interpretation geschaffen, die davon lebt, die verschiedene Figuren neu zu schreiben und sie gemeinsam auftreten zu lassen. Allein dieses Gedankenexperiment ist so kreativ und gut gelungen, dass es sich lohnt, einen Blick ins Buch zu werfen. Besonders mit Vorwissen über die genannten Klassiker, aber auch ohne, ist das Buch ein einziges Vergnügen. Die Geschichte lebt von ganz vielen Elementen, die in einem spannenden Genre-Mix münden. Natürlich hat es eine fantastische Komponente, wenn wir über biologische Transmutationen und übernatürliche Fähigkeiten sprechen, aber es ist genauso ein Kriminalfall zur Aufklärung einiger Morde. Hinzu kommen berührende Themen wie Freundschaft, Zusammenhalt und "Found Family", was mir als Muster immer sehr gut gefällt. Deshalb glaube ich auch, dass das Buch verschiedenste Leser*innen ansprechen kann, weil so viele Facetten enthalten sind. Handlung: Der Aufbau der Geschichte ist gut gelungen und fast zu jederzeit spannend. Ich habe einen Punkt abgezogen, weil es zwei, drei Kapitel gab, die sich für mich etwas gezogen haben, alles andere war wirklich spannend erzählt, es gab gute Wendungen und einen dynamischen Verlauf der Handlung, in der sich die Vorstellung der Figuren mit den rasanten Szenen des Krimis abwechseln. Unbedingt erwähnen möchte ich noch den schönen Humor, der hier eingewoben wurde. Die Autorin probiert sich aus und lässt die Figuren selber ihre eigene Geschichte kommentieren, ausschmücken und manchmal vorgreifen. Das war sehr erfrischend und hat bei mir für einige Schmunzler gesorgt. Figuren: Auch von den Figuren kann ich nur schwärmen. Allen voran Mary Jekyll ist eine gewitzte und für ihre Zeit emanzipierte junge Dame, die besonders Mr. Holmes mit ihren cleveren Ideen zu beeindrucken weiß. Doch es kommen im Laufe der Geschichte noch viele plastische Frauenfiguren hinzu, die alle ihren eigenen Kopf haben, aber doch in der Gruppe harmonieren. Es gibt tollen Schlagabtausch, emotionale Szenen und ganz viele Einblicke in das Innenleben der verschiedenen Mädchen, die alle mit problematischen Vaterfiguren (leiblich oder auch als wissenschaftlicher Schöpfer) zu kämpfen hatten. Ende: Aus diesen Frauen bildet sich am Ende der Athena-Club, der viel Potenzial für weitere Bände bereithält. Ich fand das Ende perfekt, ein bisschen was ist offen geblieben, aber das meiste wurde aufgelöst. Ich bin so begeistert, dass ich unbedingt auch den nächsten Band lesen möchte. Fazit: "Der seltsame Fall der Alchemisten-Tochter" ist für mich ein echter Geheimtipp. Die Autorin lässt die Töchter berühmter Horror-Figuren aus der Literatur ihre Geschichte erzählen und schickt alle zusammen auf gefährliche Abenteuer. Der Humor, die spannende Erzählweise und die facettenreichen Figuren haben mir ein sehr besonderes Leseerlebnis beschert, sodass ich es gar nicht erwarten kann, den zweiten Band des "Athena-Clubs" in den Händen zu halten.

zurück nach oben