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Marcus Jordan

Posted on 5.12.2018

Alexander Krützfeldt hat ein Buch über den Tod geschrieben. Das heißt, eigentlich ist es ein Buch über das Leben unmittelbar vor dem Tod. Das heißt, eigentlich ist es ein Buch über das Leben. Das Buch heißt "Letzte Wünsche" und ist bei "rowohlt" erschienen. Das Buch hätte auch "Sternenfahrten" heißen können. Ich sehe gar nicht recht ein, dass es nicht Sternenfahrten heißt. So heißt nämlich das Projekt von Frank, den Alexander ein Jahr lang begleitet hat. Frank konnte seiner sterbenden Liebsten den letzten Wunsch nicht erfüllen, sie wollte ans Meer. Es gab kein Geld, kein Fahrzeug, keine Zuständigkeit. Und nun erfüllt eben Frank solche letzten Wünsche. Frank macht sonst Erste-Hilfe Kurse. Erste Hilfe und letzte Hilfe macht er also sozusagen. Eine wollte noch mal nach Rumänien zu ihrer Familie - das ging nicht. Einer wollte zu Jagger auf die Bühne - das ging. Krützfeldt ist Journalist und kann halt auch nicht aus seiner Haut raus. Er ist auch in dieser Rolle ein Reporter - aber was für einer! Er beschreibt mit ungeheurer Empathie immer genau die Details, die man als Leser braucht, um die Szene zu sehen und zu verstehen. Das gelingt ihm so gut, dass das Lesen sich anfühlt, wie die körperliche Anwesenheit in einer intimen Szene. Man wird geradezu zum Voyeuristen. Ton, Tempo und Intensität wechseln so geschickt und schnell, dass man gar nicht dazu kommt gefühlsduselig zu werden. Oder traurig. Oder abgeklärt. Krützfeldt schreibt brillant. Er ist ein "Emo-Reporter", er drängt einem keine Gefühle auf - weder seine, noch die eigenen. Er berichtet so, dass man teilhaben kann an den Gefühlen, die dort waren, von wo er berichtet hat. Ist echt ein bisschen wie ein Zaubertrick. Das Buch trieft vor ganz sachlicher, unverklärter Menschenliebe. Helden sind die, die für andere da sind und dafür ist immer Platz und immer noch Zeit. Ich glaube solche Helden sind auch selber dem Glück am nächsten.

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