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Yvonne Franke

Posted on 14.3.2022

Eine Mutter ist mit ihren vier Töchtern und ihrem Sohn auf der abendlichen Landstraße unterwegs nach Hause. Die Stimmung ist angespannt, insbesondere zwischen ihr und der 12-jährigen Ellen. "Wenn du nicht aufhörst, setze ich dich hier aus und du kannst den Rest zu Fuß laufen", hat sie dem Mädchen bereits angedroht, doch die stichelt weiter. "Du hast uns nie geliebt. Auch Dad nicht. Geh doch zu deinem fetten Freund ..." Dann tut sie es wirklich. Sie stoppt das Auto, drängt Ellen auszusteigen und fährt weiter, noch bevor die Tür wieder geschlossen ist und ohne sich umzusehen. Daraufhin setzt sich fort, was in der Familie bereits zu genüge erprobt ist: das Schweigen. Über den Tod des Vaters wird nicht gesprochen, über den neuen Freund der Mutter auch nicht und darüber, was in dieser Nacht mit Ellen geschah erst recht nicht. Auch nicht, als die Situation lebensbedrohlich wird. Una Mannion schafft von Anfang an eine surrende Spannung. Wir sehen die Wälder Pennsylvanias durch den angstvollen Blick ihrer kindlichen Protagonistin. Ihre Ängste sind nicht diffus, sie begründen sich in tatsächlichen Erfahrungen, sind nachvollziehbar und fest verankert im engen Beziehungsgeflecht zwischen den Geschwistern. Von den Erwachsenen wird nicht mehr viel erwartet. Ganz sicher jedenfalls keine Hilfe. Wer zu viel redet, verliert. Una Mannion fasst dieses Schweigen derart gut in Worte, dass man sich trotz des bedrückenden Themas wünscht, sie möge bald ihren zweiten Roman veröffentlichen. (Und wenn Tanja Handels wieder die Übersetzung übernähme, würde das auch nicht schaden.)

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