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mabuerele

Posted on 27.1.2022

„...Jedenfalls habe ich vom Ministerium den Auftrag erhalten, diese Sache zu untersuchen, seit wir in Berlin einem Schmugglerring auf der Spur sind, der im großen Stil mit Saccharin handelt...“ Kommissar Alexander Mayburg erscheint bei Gottfried Bührer in Frankfurt, weil er Simon sprechen will. Angeblich interessiert er sich, wie grenzüberschreitender Handel abläuft. Doch Gottfried hat kein gutes Gefühl dabei. Der Autor hat einen spannenden und abwechslungsreichen Roman geschrieben. Er bringt die Entwicklungen um das Jahr 1900 auf den Punkt. Nach den Geschehnissen in Waldbrügg, die im Band 1 der Reihe erzählt werden, hat sich die Familie Mandelbaum nach Frankfurt zurückgezogen. Simon wurde Teilhaber bei Gottfried, der Ava geheiratet hat. Gottfried ist im Weinhandel tätig. Gerade ist Simon geschäftlich in Frankreich unterwegs. Auch Hans Escher hat anfangs in Frankfurt gelebt. Nach dem Tod des Vaters und dem Schlaganfall des Vaters aber wird er in Waldbrügg gebraucht. Der Schriftstil lässt sich flüssig lesen. Gut aufgezeigt wird, wie unterschiedlich die Protagonisten in den wenigen Jahren entwickelt haben. Nach den antisemitischen Ereignissen in Waldbrügg hat Simon sein Faible für das leichte Leben entdeckt. Noch ahnt er nicht, wie gefährlich das Spiel für ihn und Gottfried werden kann. Hans dagegen muss sich in Waldbrügg um seinen Tuchhandel und die ehemalige Möbelfabrik der Mandelbaums kümmern. Trotzdem hat er noch Zeit gefunden, eine Zeitschrift herauszugeben. Er bemüht sich um Beiträge renommierter Journalisten. Auch Ava bringt sich dort mit ein. Damit will er ein Gegengewicht zu den antisemitischen Hetzblättchen des Ortes aufbauen. Mittelpunkt der Familie ist das Haus von Jella in Frankfort. Hier gibt es tiefgründige Diskussionen zu aktuellen Themen. „..Ideen kommen und gehen. Die meisten hinterlassen doch kaum eine prägende Spur. Die Welt verändert sich meistens aufgrund völlig unvorhersehbarer Eriegnisse...“ Doch es ist nicht zu übersehen, dass auch in Frankfurt Nationalismus und Antisemitismus zunehmen. Wer im Geschäftsleben sich einen noch so kleinen Fehler erlaubt, ist schnell weg vom Fenster. Das muss Gottfried bitter erleben. Hans reicht Gottfried und Ava hilfreich seine Hand. Auch wenn die beiden das anders sehen, ist seine Haltung nicht nur uneigennützig. Er hat jetzt mehr Zeit für seine Ambitionen als Redakteur und Journalist. Gottfried wiederum ist in geschäftlichen Dingen wesentlich erfahrener als Hans. Währenddessen rüstet der Waldbrügger Heimatverein verbal auf. „...Mine Herren, der Kampf der Kulturen hat begonnen. […] Das Deutsche Reich ist in Gefahr von Anarchisten und jüdischem Kapital unterwandert und ausgehöhlt zu werden...“ Vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Hans und Striehler bringen die Dinge immer wieder auf den Punkt. Von letzteren werden Traditionen angeführt, die es so nie gab. Aber Ausgrenzung ist das Gebot der Stunde. Alexander Mayberg ist auf seinem Fachgebiet eine Koryphäe. Er ist aufgeschlossen gegenüber neuen Formen der Kriminalistik. Seine konservative Einstellung behält er aber bei. So muss er erkennen, dass der Kampf um Recht und Gesetz von windigen Elementen gern für ihre Zwecke ausgenutzt wird. Sein innerer Zwiespalt wird deutlich. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie die Gedanken entstanden, die später verheerende Folgen haben sollten.

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