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hyperventilea

Posted on 4.10.2021

Ein großartiges Phantasiefeuerwerk „Nicht alle Momente in der Zeit sind gleich. Es gibt welche, die alles verändern, die dich auf einen völlig anderen Kurs bringen und dein Leben für immer verwandeln. Momente, nach denen du nicht mehr der- oder dieselbe bist.“ Vincent erbt von seinem Großvater eine Schuhputzkiste. Gleich an seinem ersten Tag als Schuhputzer in der Stadt Barry erlebt er einen monumentalen Moment, der alles verändert. Er lernt Florence, die Besitzerin des großartigsten Hotels der Welt, und ihren Empfangschef Rupert kennen. Sie bieten ihm eine Anstellung in ihrem Hotel an, die er sofort annimmt. Seine Arbeit dort bereitet Vincent viel Freude. Er verbringt im Hotel eine unvergessliche Zeit, bis er einen folgenschweren Fehler begeht…. Lisa Nicol hat eine ganz besondere Art zu erzählen. Ihr lebendiger, bildhafter und humorvoller Schreibstil fesselt und lässt sich wunderbar lesen und vorlesen. So vergleicht sie Vincents Glück beispielsweise mit einem wachsenden Turm von Eiskugeln auf einer Eiswaffel und macht damit sehr deutlich, was Vincent empfindet. Sofort hatten meine Mitleser und ich das Gefühl, uns mitten in Vincents Welt zu befinden. Die Leser werden direkt angesprochen, immer wieder erwähnt die Verfasserin auch ihren Co-Autoren, der bei der Entstehung des Buches eine bedeutende Rolle spielte und dessen trauriges Schicksal uns sehr berührte. Das farbenfrohe, etwas naive, aber sehr dekorative Titelbild, das Vincent und Florence zeigt, fällt sofort ins Auge und passt perfekt zur Geschichte. Das Buch hat keine Bilder, die Schrift ist angenehm groß gedruckt. Die Geschichte richtet sich an Kinder ab zehn Jahren. Zum Vorlesen ist sie auch schon für jüngere Kinder geeignet. Der elfjährige Vincent hat kein einfaches Leben. Seit sein vierjähriger Bruder Thom auf der Welt ist, dreht sich in der Familie alles nur um Thom, der nicht sprechen kann, ständig wütend ist und niemandem um sich herum richtig wahrnimmt. Vincent muss stets Rücksicht nehmen, der Junge ist außergewöhnlich emphatisch, sieht, was andere Menschen brauchen. Rupert nennt ihn einen Schuh-Schlüpfer, der in die Schuhe anderer schlüpfen kann, sich in sie hineinversetzen kann. Rupert lobt ihn: „Du spürst in deinem Herzen, warum jeder gelegentlich ein bisschen Großartigkeit braucht.“ Auch Florence weiß das, sie leitet mit elf Jahren ein Hotel, kümmert sich engagiert Tag und Nacht darum, dass dort alles rund läuft. Florence und Vincent sind zwei besondere Kinder, die schon bald eine innige Freundschaft verbindet. Im Hotel arbeiten einige weitere ungewöhnliche Charaktere wie die die tanzenden und gute Laune versprühenden Reinigungskräfte Luz und Tracee, Empfangsleiter Rupert, der stets die Ruhe und den Überblick bewahrt, oder Aufzugspianistin Zelda, die mir ihrer Musik begeistert und über ganz viel Lebenserfahrung verfügt. Was für ein großartiges Hotel! Hier lautet das Motto: Jeder hat Großartigkeit verdient, denn „ein bisschen Großartigkeit verändert alles!“ Und was für Großartigkeiten dieses Hotel bietet: unglaubliche Zimmer, die Träume erfüllen, einen hoteleigenen Zoo voller exotischer Tiere oder die Möglichkeit, den Sternen nah zu sein, der Schwerkraft zu trotzen, zu fliegen oder für einen Augenblick wieder Kind zu sein. Im The Grand werden Wünsche wahr. „Die meisten wählen nicht The Grand, The Grand wählt sie“ und schenkt ihnen Momente, sich großartig zu fühlen, ja großartig zu sein. Es geht dabei nicht um puren Luxus oder Reichtum, sondern um Streicheleinheiten für die Seele, um Seelenglücksmomente z.B. solchen mit Taschenhunden. Autorin Lisa Nichols hat eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und monumentale Momente geschrieben, ein fulminantes Fantasiefeuerwerk, ein außergewöhnliches, poetisches Märchen, das auch seinen Lesern ein großartiges Gefühl schenkt und zum Nachdenken und Philosophieren anregt. Aber alles auf einmal zu wollen und sogar die Zukunft kontrollieren zu wollen, funktioniert nicht. Irgendwann stürzt jeder Eiskugelturm auf der Eiswaffel ein. Vincent stellt in einem ganz anderen Zusammenhang treffend fest: „Es geht nicht ums Wissen! Es geht ums Sein!“ Ein Buch wie„Charlie und die Schokoladenfabrik“, ein Buch für alle, die gerne träumen, eine Schatzkiste voller phänomenaler Einfälle, die glücklich macht und sicher lange in Erinnerung bleiben wird.

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