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mabuerele

Posted on 1.8.2021

„...Der Mensch hat die Pflicht, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden, indem er einen Beruf ergreift oder eine Familie gründet. Oder beides...“ Keiko Furukawa war schon als Kinder anders. Sie kennt keine Gefühle und kann sich nicht in den Mitmenschen hineinversetzen. Nach den ersten Problemen in der Schule hat sie sich zurückgezogen und ihre Umwelt gemieden. Damit wollte sie ihren Eltern entgegenkommen und Ärger vermeiden, denn deren liebevolle Zuwendung hat sie trotz ihres Andersseins gespürt. Währen des Studiums nimmt sie einen Aushilfsshop in einem Supermarkt an, der 24 Stunden geöffnet hat. Er sollte Keikos Lebensinhalt werden. Die Autorin hat eine tiefgreifende Geschichte über das heutige Leben in Japan geschrieben. Zwei Welten prallen aufeinander. Zum einen ist es die Vorstellung der Gesellschaft, die sie vom Verhalten des Einzelnen hat. Das ist der Inhalt des Eingangszitats. Zum anderen ist es das Lebensgefühl von Keiko, die sich im Supermarkt wohlfühlt und für sich den Sinn des Daseins gefunden hat. Das tägliche Einerlei, die eingeübten Riten und der ständig gleiche Handlungsablauf geben ihre Sicherheit und eine Art persönlicher Zufriedenheit. Als Shiraha im Markt angestellt und kurze Zeit später wieder entlassen wird, versucht Keiro ihr Leben zu ändern. Plötzlich verhält sich ihre Umgebung völlig anders als bisher. Keiro registriert das überrascht, aber auch mit Unverständnis. Alte Werte scheinen selbst im Markt gegenüber Klatsch und Tratsch keine Rolle mehr zu spielen. Der Schriftstil des Buches lässt sich flott lesen. Die Autorin versteht es, die Zustände in Japan auf die kleine Welt des Supermarkts und Keiros Umgebung herunterzubrechen. Kurze Sätze, die schnell auf den Punkt kommen und trotzdem häufig ins Detail gehen, schaffen eine innere Spannung. Obwohl Keiro im Supermarkt ihre Frau steht, durch Gewissenhaftigkeit und korrekte Einhaltung der Regeln auffällt, hat sie in den Augen ihrer Familie und ihres Freundeskreis im Leben nichts erreicht. Sie hat den sozialen Aufstieg verpasst. Für kritische Fragen hat sie sich passende Antworten zurechtgelegt. Erst Shiraha legt den Finger ohne Scheu in die Wunde. Doch sein in der Vergangenheit behaftetes Denken und sein antiquierten Frauenbild bringen Keiro nicht weiter. Es bedarf einige Zeit, bis Keiro begreift, was sie wirklich will. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es geht um die Individualität der Persönlichkeit, um das sich frei machen von starren Konventionen. Es ist kein Widerspruch dazu, wenn gerade Keiro für ihren inneren Frieden aber gewisse klare Regeln benötigt.

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