Profilbild von bookloving

bookloving

Posted on 8.7.2021

*Beklemmender Jugendroman über die Penzberger Mordnacht* MEINE MEINUNG *Weil auch in diesen Zeiten irgendwer das Richtige tun muss, einfach, weil es richtig ist.* In ihrem neuen großartigen Jugendbuch „Dunkelnacht“ widmet sich die bekannte Hamburger Autorin Kirsten Boie den sehr beklemmenden Ereignissen rund um die „Penzberger Mordnacht“. In diesem erstaunlich dünnen Büchlein greift die Autorin die historisch verbürgten, aber nur wenigen bekannten Geschehnisse auf, die sich wenige Tage vor Ende des 2. Weltkriegs Ende April 1945 in dieser kleinen bayerischen Kleinstadt südlich von München zugetragen haben. Diese als Nouvelle verfasste, knappe aber äußerst gehaltvolle und beeindruckend erzählte Geschichte befasst sich mit einem unfassbaren Verbrechen und einem speziellen, eher selten behandelten Aspekt der von den Nazis begangenen Greueltaten, der von Historikern als "Endphasenverbrechen" bezeichnet wird. Gekonnt für die jugendliche Leserschaft ab 15 Jahren aufbereitet eignet sie sich hervorragend für den Geschichtsunterricht, ist aber auch für Erwachsene interessant zu lesen. Entsprechend findet sich für die jugendliche Zielgruppe im Anhang ein kurzes Glossar, das einige eventuell unbekannte, aber zum Verständnis wichtige Begriffe und Zusammenhänge rund um die damalige Nazi-Zeit und das Hitler-Regime erläutert. Der Autorin gelingt es hervorragend, uns gleich von Beginn an in die beklemmende und bewegende Handlung hineinzuziehen, indem sie geschickt sorgsam recherchierte zeitgeschichtliche Hintergründen einfließen lässt und uns sehr authentische Einblicke in die damalige Lebenswelt ihrer Protagonisten vermittelt. Auch wenn die allwissende distanzierte Erzähl-Perspektive zunächst etwas gewöhnungsbedürftig wirkt, so passen der gewählte Schreibstil und die einfach gehaltene, sehr prägnante Sprache hervorragend zu der erzählten Geschichte. Sehr schnell wird die unheilvolle Stimmung greifbar und lässt einen nicht mehr los, denn man ahnt schon früh, die grauenvollen Verwicklungen der Geschehnisse für die Beteiligten und die unausweichlich aufziehende Katastrophe, die schließlich in einer unfassbaren Tragödie mündeten. Gekonnt versetzt die Autorin uns in das kleine Städtchen Penzberg und vermittelt ein stimmiges, authentisches und lebendiges Bild der damals herrschenden Zustände. Rasch wird deutlich, dass in der Bevölkerung viele auf gegensätzlichen Seiten stehen – auf der einen Seite die fanatischen Nazis, die verbissen immer noch an den Endsieg glauben, und auf der anderen Seite die „Roten“- Arbeiter zumeist, die nur darauf hoffen, dass der Hitler-Kult endlich ein Ende nimmt und die Alliierten dem Ganzen ein baldiges Ende bereiten. Sehr anschaulich und nachvollziehbar zeigt die Autorin auf, dass gerade die Jugend wie Marie und Schorsch von der Nazi-Ideologie geprägt ist und zugleich auch von den Ansichten ihrer Eltern beeinflusst wurde. Gekonnt verdeutlicht Boie aus Sicht der drei Protagonisten die ganze Zerrissenheit zwischen Krieg und Frieden oder Richtig und Falsch, und zeigt auf, wie ein jeder in dieser Ausnahmezeit und dem quasi rechtsfreien Raum auszuloten versucht, wo man mit seiner Haltung zukünftig steht oder manchen an dem Irrglauben festhält, durch bestimmte Taten, das Ende doch noch verhindern zu können. Ich finde auch für Jugendliche, die sich noch nicht sehr eingehend mit dieser Zeit auseinandergesetzt haben, ist es der Autorin hervorragend gelungen, die diffizilen Aspekte dieser komplexen Lage zu umreißen und zugleich die unterschiedlichen Emotionen wie Pflichtbewusstsein, Schuld, Angst, Misstrauen und zarter Hoffnung einzufangen. Die zum Abschluss sehr verstörende Geschichte endet dennoch mit einem hoffnungsvollen und versöhnlichen Ausklang und ist überaus passend gewählt. In ihrem wichtigen und sehr gelungenen Nachwort bettet die Autorin ihre Geschichte nochmals in einen weiteren Kontext im Hinblick auf die unzureichende und beschämende gerichtliche Aufarbeitung der unfassbaren, während der Penzberger Mordnacht begangenen Taten ein und zeigt uns Lesern eine zusätzliche Dimension dieses großen, letztlich ungesühnten Unrechts auf, das mich wirklich fassungslos und betroffen zurückgelassen hat. FAZIT Mit ihrem hervorragenden Jugendbuch hat Kirsten Boie ein äußerst wichtiges Werk gegen das Vergessen geschrieben, das betroffen macht, nachdenklich stimmt und noch lange nachwirkt! Zugleich hat sie den 16 unschuldigen Opfern dieser kaltblütigen und skrupellosen Bluttat ein würdiges Denkmal gesetzt! Man kann nur hoffen, dass dieses sehr lesenswerte Buch auch viele jugendliche LeserInnen erreicht!

zurück nach oben