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Buchhandlung Almut Schmidt Kiel

Posted on 11.6.2021

Die Erzählerin geht durch die Räumlichkeiten der Wohnung ihrer Eltern. Dies ist die Wohnung, die die Familie nach ihrer Rückkehr aus Mosambik bewohnte. Das Betreten der Zimmer weckt die Erinnerungen und bildet die jeweiligen Kapitelüberschriften. Dabei hat jeder der aufgesuchten Standorte eine ganz besondere Energie. Der Eingang, das Mädchenzimmer, die Küche und die Diele haben ihren eigenen Zugang zu der Geschichte. In manchen Zimmern wird gelebt, manche dienen als Übergangs- oder Einstiegsmoment und andere werden für das körperliche Wohl benötigt. Denn dies ist eines der Themen, das sich bereits vom Titel ableitet, das gesellschaftliche Idealbild von unserem Erscheinungsbild. Doch geht es in dem Roman auch um Aus-, bzw. Abgrenzung, um Rassismus und um die Kolonialgeschichte Portugals. Die Hauptfigur heißt Maria Luisa und ist jung, sehr gebildet, aber auch eigensinnig. Der Roman liest sich im Hinblick auf die Autorin sehr autobiografisch. Somit sind alle Charaktere, Situationen und Orte reine Fiktion und auch pure Wahrheit. Maria Luisa lebt in Portugal im Haus ihrer Eltern, die verstorben sind. Dieses Bild der Wohnung zentralisiert ihre Geschichte, Verletzlichkeit und ihre Einsamkeit. Bereits als Jugendliche wurde sie ausgegrenzt. Sie war eine gute und gebildete Schülerin. Sie ist in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Mosambik aufgewachsen und ist nach Portugal zurückgekehrt. Diese Rückkehrer wurden in Portugal oft als böse dargestellt. Als sie Teenager ist, beginnt der alltägliche Kampf um Anerkennung. Denn oft ist sie das Opfer des Mobbings, denn Maria Luisa ist dick. Darum drehen sich ihre ganzen Denkmuster. Alles ist dieser Körperlichkeit unterworfen. Auch später, als sie sich entschließt, ihren Magen operativ verkleinern zu lassen, bleibt sie für sich die Dicke. Doch ist sie gradlinig, ehrlich und weiß, was sie möchte. Doch ist ihr Umfeld und ihr Liebesleben ihrer empfundenen Körperlichkeit unterworfen. Ihre Freundin, Tony, ist schlank und bei vielen sehr begehrt. Doch hat auch Tony ihre Geheimnisse und dunklen Seiten und nutzt Maria Luisa oft und gerne aus. Neben Tony ist Maria Luisa der Wal oder sogar das Monster. Während des Studiums spricht Maria Luisa erstmalig auch die steten Lügengeschichten Tonys an und traut sich somit aus ihrem gewohnten Terrain herauszutreten. Sie lernt David kennen und lieben, der ihre Gefühle erwidert, sich aber auch von ihr distanziert und sich später trennt. Doch können beide sich nicht ganz voneinander lösen. Als Jugendliche empfand sich Maria Luisa durch ihre Eltern und das soziale Umfeld beengt. Später wird sie mit dem Verlustgefühl gegenüber den Eltern leben. Durch die Dominanz von Tony, ihrer Freundin, wird sie mehr oder weniger akzeptiert, muss sich aber selbst dafür erniedrigen. Auch ihre große Liebe verwehrt ihr das Glück. Sie benötigt Raum für sich selbst und als sie dies erkennt, will sie ihren körperlichen Umfang reduzieren. Ein Roman, der durch die Erzählstruktur und Thematik fasziniert. Es ist nicht das übliche Klischee des Ausgleichens des Liebesentzugs und der gefühlten Einsamkeit durch Essen. Es ist die Geschichte einer stark werdenden und eigenwilligen Frau. Doch sind in ihr einige Narben, die immer im Leben ihre Spuren zeigen werden. Das Gefühl, auch nach dem Abnehmen, immer dick zu sein wird bleiben, die Operations-Narben und das Seelentrauma des gemobbten Menschen trägt sie beständig mit sich. Auch die politische Geschichte, die in Mosambik ihren Anfang nahm und in Portugal seinen Kreis schließt, prägt ihr Dasein. Der Roman ist sehr persönlich mit dem Leben der Autorin verbunden. Figueiredos erster Roman „Roter Staub“ hatte für einen Skandal gesorgt, weil sie darin mehr auf Portugals Kolonialherrschaft eingeht. Somit ist der Roman „Die Dicke“ ihre Fortführung und die Geschichte über die Ausgrenzung als Rückkehrerin. Der Roman wurde von Marianne Gareis aus dem Portugiesischen übersetzt.

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