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elena_liest

Posted on 7.6.2021

Erin ist überglücklich, als sie endlich eine schöne und bezahlbare Wohnung in London findet. Sie fühlt sich gleich wohl in den möblierten Zimmern und unterschreibt ohne Bedenken den Mietvertrag. Doch die Wände der Wohnung sind hellhöriger, als ihr lieb ist - und ihr Nachbar Lester Sharp hört genauer zu, als sie denkt. Nach und nach passieren immer merkwürdigere Dinge: Hatte Erin nicht mehr Unterhemden auf den Wäscheständer gehängt, als jetzt noch dort zu finden sind? Und war die Weinflasche gestern nicht noch dreiviertel voll? Für Erin beginnt ein Alptraum, aus dem sie nicht so leicht wieder aufwachen kann... Sarah Nisis Psychothriller "Ich will dir nah sein" beginnt sehr langsam. In gemächlichem Tempo stellt sie die drei Protagonist*innen Erin, Lester Sharp und Rhys vor, gewährt einen ersten Einblick in ihr Leben und ihre Vergangenheit und baut so eine Geschichte auf, die ihren Horror zwischen den Zeilen versteckt. Von Anfang an wird klar, dass Lester Sharp ein Sonderling ist und je mehr Details über ihn enthüllt wurden, desto größer wurde mein Ekel ihm gegenüber. Die Autorin zeichnet ein wirklich sehr klares Bild eines Stalkers - von ständigen Verfolgungen über Lauschen, Einstiege in die Wohnung bis hin zur Einbildung einer Beziehung mit Erin war alles dabei. Ich hatte beim Lesen häufig Gänsehaut und musste mich an der ein oder anderen Stelle fast dazu zwingen, das Buch weiter zu lesen - denn für meinen Geschmack waren die Stalking-Details ab und an etwas zu ausgeschmückt. Im Vergleich dazu blieben Erin und vor allem Rhys als Charaktere doch sehr blass. Abgesehen von diesem wohl dosierten Grusel und Lesters Psycho-Spielchen plätscherte mir die Geschichte etwas zu sehr dahin. Bei dem Label "Psychothriller" hätte ich mir doch eine etwas rasantere Story gewünscht - und gerade in Kombination mit den doch eher unangenehmen Stalking-Beschreibungen ist es mir wirklich häufig schwer gefallen, mich zum Lesen zu motivieren. Der absolute Hammer kam aber zum Schluss, denn mit diesem wirklich genialen Ende hätte ich nie gerechnet. Vieles wurde durch die krasse Wendung im finalen Teil des Buches für mich klarer, einige vorher schlecht einzuordnende Details sind in meinem Kopf an den richtigen Platz gerutscht und haben nachträglich Sinn gemacht - und sowas liebe ich tatsächlich in diesem Genre! Trotz des fulminanten Endes kann ich aber nur eine bedingte Leseempfehlung aussprechen, denn 30 wirklich tolle und spannende Seiten werten 300 eher mittelmäßige Seiten einfach nicht wirklich auf. Wenn ihr aber Lust auf einen unblutigen Thriller mit vielen psychologischen Feinheiten, die es einem eiskalt den Rücken runterlaufen lassen, habt, könnte "Ich will dir nah sein" genau euer Fall sein.

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