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gwyn

Posted on 29.3.2021

Von Marokko über Spanien nach Frankreich, Italien, Griechenland bis in die Türkei – mit über 100 mediterranen Rezepten ist diese kulinarische Reise bestückt, teils in einer Kombination aus verschiedenen Länderküchen. Das Konzept, das dahintersteht, ist rasch erklärt: nämlich einfach, Zeit sparend, für jeden nachzukochen. Schnelle Gerichte, die keine lange Vorbereitung benötigen, keinen Aufwand an Zutaten benötigen. Insofern sind es «bürgerliche» Rezepte, die keine riesigen Ahas entlocken, es gibt viel Bekanntes, aber auch neue Ideen, die sofort Anreiz bieten, sie auszuprobieren. Enthalten sind viele fleischlose Rezepte, es gibt einiges an Fisch und Meeresfrüchten, ein paar Fleischrezepte. Das Kochbuch ist aufgeteilt in die klassischen Kapitel: Vorspeisen, Salate und Suppen; Gemüse und Pasta; Fisch und Meeresfrüchte; Geflügel und Fleisch; Desserts; Grundrezepte. Auf der einen Seite das Foto, auf der anderen eine kurze Erklärung zur Herkunft und zu den Komponenten, es folgt die Zutatenliste und die Zubereitungsanleitung – gut strukturiert. Der Umgang mit Gewürzen ist spartanisch, Ras-el-Hanout, Baharat, Curry oder Dukka sind die Exoten, wobei diese heute fast jeder Hobbykoch im Haus hat. Die restlichen Gewürze sollte man im Schrank haben. Ich weiß nicht genau, was Ali Güngörmüs unter einer Prise versteht – eine Mengenangabe, die häufig vorkommt. Eine Prise für ein ganzes Huhn! Spartanisch mit Gewürzen umgehen, bedeutet nicht, fürs Seniorenheim zu kochen. Hier fehlt bei den Mengenangaben eindeutig der Pfiff! Es gibt eine Menge toller Rezepte, eindeutig. Aber bei den Mengenangaben kam ich nicht aus dem Staunen heraus. Für die italienische Küche bleibe ich lieber beim Altbewährten, Rezepte die über Generationen funktionieren. Einen Nudelteig mit 20 Eigelb und Butter traue ich mich nicht auszuprobieren, will ich auch nicht versuchen, wenn 1-3 Eier reichen, Butter nicht nötig ist. Und ein Vitello tonnato mit Mayo aus dem Glas und Worcestersoße ließ mich erzittern – beides ist gar nicht nötig am tonnato. Und bei manchen Rezepten steht Tomatenfond (damit ist nicht der Klare gemeint, sondern die Klassische mit Zwiebel, Knoblauch, Öl) hinzufügen. Nur wieso ist auf dem Foto so rein gar nichts Rotes zu finden? So als wenn nach der Beigabe von Riesling und Noillly Prat zu den Fregola Sarda keine weitere flüssige Zutat mehr zugefügt wurde. Manches erschließt sich einfach nicht. Ich probiere mich dann lieber am Börek mit Spinat und Schafskäse, dazu Zitronenjoghurt oder Lammkoteletts mit Blumenkohl-Couscus und Granatapfelcreme, Lachs mit Kartoffel-Oliventaschen oder eine von den leckeren Süppchen. Das ein oder andere ist ausgefallen, wie gebackener Lachstatar mit roter Beete, die Taleggio-Gnocchi mit Spinatcreme oder der Pulpo auf einem Auberginenmus. Bei den Desserts war ich recht enttäuscht. Bis auf ein Baklava und Crème brûlée habe ich nichts spezielles Mediterranes gefunden. Crêpes mit Walnuss-Nougat Eis, Mandelclafoutis mit Sorbet, Vanillemousse mit Himbeersorbet, Beeren mit Zitronenquark, das klingt eher ideenlos, die Schokoküchlein eher amerikanisch. Wer Großes erwartet, den muss ich enttäuschen. Allerdings gibt es hier eine Menge alltagstauglicher Rezepte, die Lust aufs Nachkochen wecken. Alltagstauglichkeit steht im Vordergrund. Und solche Rezepte brauchen wir auch! Das Buch ist ebenfalls dienlich für Anfänger. Nur da, wo eine Prise steht, würde ich überlegen, das ein oder andere Mal lieber ein bis zwei Teelöffel zu nehmen, damit man das Gewürz auch schmeckt. Wer ein Kochbuch für jeden Tag sucht, mit frischen, einfachen Rezepten, der liegt hier richtig. Hier setzt sich auch kein Koch als Person in Szene, was sehr wohltuend ist. Was zählt, sind die Rezepte, mit Zutaten, die man überall bekommt, die für jeden ohne Mühe nachzumachen sind. Ali Güngörmüs ist Spitzen- und TV-Koch mit eigenem Restaurant in München. Im Fernsehen hat er sich als cleverer und begeisterungsfähiger TV-Koch in Sendungen wie «Die Küchenschlacht», «Grill den Profi» und der NDR-Reihe «Tipps & Trends» einen Namen gemacht. Mit seinem 2005 eröffneten Lokal Le Canard Nouveau wurde er 2006 als erster türkischstämmiger Koch weltweit mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Mit dem Pageou in München besann er sich 2014 auf seine Wurzeln und widmet sich dort mediterran-orientalischen Genüssen.

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