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Sarah Jørgensen

Posted on 27.1.2021

Der finale Band "Abhängigkeit" (OT: Gift, übersetzt von Ursel Allenstein) aus Tove Ditlevsens autobiografischer Kopenhagen-Trilogie, erschienen im Aufbau Verlag, erzählt von Serienheirat und Mutterschaft, von toxischen Beziehungen zu manipulativen Männern. Das Buch ist eine schonungslose und bis heute zeitgemäße Geschichte über Beziehungsstrukturen, Macht und Ditlevsens allgegenwärtigen Missbrauch von Alkohol und Pillen. Selbst nach einem Entzug bleibt die (Sehn)Sucht nach Ausflüchten aus der Realität "wie die Fäulnis in einem Baum". Sie glaubt, das einzige, wofür sie gut ist, sei Sätze zu bilden. Die Literatur befreit sie und legt sie gleichzeitig an Ketten. Tove Ditlevsens Lebenserinnerungen bestechen durch ihre kraftvolle Offenheit. Sie sind wunderschön poetisch geschrieben und zeichnen stilistisch ihr Leben nach - von kindlicher Fremdheit und jugendlichen Ausflüchten zu immer dunklerer und roherer Abhängigkeit von Männern und Suchtmitteln. In unverschleierter Ehrlichkeit erzählt sie mit einer ergreifenden Sachlichkeit die einschneidenden Beobachtungen des eigenen Lebens und Scheiterns - hart, zart, erbarmungslos und sanft wie die literarischen Werke, die ihre inneren Dämonen und Prüfungen hervorbringen. Tove Ditlevsen fühlte sich seit ihrer Kindheit fremd in dieser Welt und so blieb es. Sie fühlte, ein dicker Schleier trenne ihr Leben von der Wirklichkeit. Umso dankbarer bin ich für die "Kopenhagen Trilogie" und dafür, dass sie uns mit ihrer einzigartigen Prosa und ergreifenden Lyrik (die hoffentlich auch ins Deutsche übersetzt wird) aufzeigt, wie im Leben vermeintliche Banalitäten widriger Lebensumstände zu Missbrauch, Abhängigkeit und Auswegslosigkeit führen können und wie eng Heiterkeit und Herzschmerz miteinander verwachsen sind.

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