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elena_liest

Posted on 16.10.2020

Seit Keiko denken kann ist sie eine Außenseiterin. Schon als Kind ist sie anders als die anderen und versteht die gesellschaftlichen Normen und Werte nicht - versteht sie bis heute nicht. Deshalb hat sie schon früh damit begonnen, sich anzupassen. Sie imitiert andere Menschen, seien es nun ihre Familienangehörigen, Mitschüler*innen oder Mitstudent*innen. Als sie während des Studiums eine Anstellung bei einem 24-Stunden-Supermarkt erhält findet sie dort ihre Bestimmung. In dem Kombini blüht sie auf, hier kann sie ihr Verhalten voll und ganz auf den Markt abstimmen. Je länger sie dort arbeitet, desto mehr Kritik erhält sie aber für ihren Lebensweg, der durch das Auftauchen eines mittelalten Mannes eine völlig neue Richtung erhält. Dieses Angepasst-Sein und an andere angleichen - das hat wohl jede*r schon mal erlebt. Schlägt man einen anderen Weg ein, als von der Gesellschaft vorgeschrieben oder ist man anders, als andere es von dir erwarten, wird man oft schräg angeschaut oder mit Ratschlägen überhäuft. Genau diese Problematik fängt Sayaka Murata in ihrem Roman sehr gut ein, denn in Japan sind diese gesellschaftlichen Zwänge noch mehr ausgeprägt. Heraus gekommen ist ein Buch, das oft skurril und verrückt ist, mich aber auch etwas nachdenklich und traurig stimmend zurück lässt. Selten bekommt man Bücher zwischen die Finger, in denen in einer solchen Knappheit (nur etwa 140 Seiten) so viel Inhalt steckt. Es passiert eigentlich gar nicht so viel, das Buch ist sehr ruhig, trotzdem entfaltet sich ein ausgeprägtes Bild durch den besonderen Schreibstil der Autorin vor den Augen der Leser*innen. Es passt perfekt für ein paar Seiten am Ende eines langen Arbeitstages oder für einen gemütlichen Sonntags-Lesesnack. Ich habe das Buch genossen und bin immer wieder fasziniert von japanischer Literatur. Murata konnte mich schon mit ihrem zweiten Roman, "Das Seidenraupenzimmer" sehr überzeugen und auch "Die Ladenhüterin" fand ich gut. Sowohl sprachlich als auch thematisch kann die Autorin bei mir punkten und bekommt für dieses Werk 4 / 5 Sternen.

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