Profilbild von wandanoir

wandanoir

Posted on 12.9.2020

Zeigt weder Dramatik noch Emotionen. Iris, eine Opernsängerin, ist nicht mehr jung. Mit neunundreißig hat sie den Gipfel noch nicht erreicht, ab dem man berühmt ist. Es gibt noch eine kleine Hoffnung, denn „jede Frau ist anders, jede Stimme entwickelt sich anders, es gibt viele, die sehr lange unglaublich gut singen, immer besser werden.“ Und Iris hat endlich zwei gute Angebote gleichzeitig: sie soll in der Met in New York den „Cherubino“ in Figaros Hochzeit singen (allerdings in einer modernen Fassung) und auf den Salzburger Festspielen Nicholas Maws „Sophie“. Das ist dein Durchbruch, sagt Martha, ihre Agentin. Da wird Iris schwanger. Wer der Vater ist, weiß Iris nicht, der Kollege Sergio, mit dem sie liiert ist oder der verheiratete Ludwig, den sie eigentlich liebt, aber nicht bekommen kann und mit dem sie auch liiert ist. Sie sagt beiden Männern, dass sie der Vater wären. Tricky. DIE KRITIK: Ich habe nicht bekommen, was ich erwartet und gewollt habe. Keine Frau, die wie verrückt um ihre Karriere kämpft. Nicht eine Spur von Dramatik durch die Darstellung wie eine Frau sich in Interessenskonflikten verfängt. Keinen Charakter, dem ich nachsinnen könnte. Dafür viel Innenschau und das Trällern von Kinderliedchen. Ist Iris eine starke Frau? Das kann sein, aber man bemerkt es nicht, weil sie sich in Babyidylle räkelt. In „Cherubino“ geht es allenfalls am Rande um Musik, hauptsächlich aber darum, wie sich ein Baby entwickelt beziehungweise darum, wie es ist, wenn man ein Kind kriegt. Und um die Männer, zwischen denen sich eine moderne Frau nicht so richtig entscheiden kann. Vielleicht muss sie das auch gar nicht, weil das Kind jetzt das Wichtigste auf Erden ist. Yeah! Prima. Aber interessant ist das nicht. Das Buch ist ganz ordentlich geschrieben, ist aber weit von dem Witz von „Der große Garten“ oder von „Nicht wie ihr“ entfernt, weit von der Sense an Sprache die Raphaela Edelbauer schwingt und kann auch an Sasa Stanisic Rhetorik nicht heranreichen. Das fünfte Buch, das ich von der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 ablese, ist eine Enttäuschung. Daran ändert seine Komposition nichts, die der Oper, Aufführung in vier Akten, nachempfunden ist. Fazit: Ich war für Dramatik offen. So sehr gerne hätte ich gelitten und geschluchzt. Leid, Wut, was auch immer, Rache, Kampf, Emotionen eben. Doch ein Buch über schwangere Halb-Divas, die viel mehr nicht aufzuweisen haben als eben schwanger zu sein, ist nicht genug, um mich zu begeistern. Vielleicht reißt es werdende Mamas aus dem Sessel. Kategorie: Anspruchsvoller Roman Verlag Paul Zsolnay, 2019

zurück nach oben