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Matzbach

Posted on 7.7.2020

"Was hättest du getan, wenn Ulrike vor der Tür gestanden hätte?". Diese Frage stellt sich leicht abgewandelt für Matti aus der Okerstraßen-WG in Berlin-Kreuzberg. Die Tochter eines seit langem untergetauchten RAF-Mitglieds meldet sich hilfesuchend bei ihm. Ihr ihr bisher unbekannter Vater kommt nach Berlin und möchte sie sehen, als Beweis für die Richtigkeit seiner Worte nennt er eben Matti, den er vor Jahren in die linke Szene eingeführt hat. Es wird ein Treffen der drei vereinbart, doch als Matti erscheint, liegt sein Exkumpel Gerd erschossen am Boden. Matti führt die Tochter vom Tatort und verständigt die Polizei. Als diese erscheint, ist die Leiche fort. Der Intimfeind der WG, Kommissar Schmelzer, sieht also keinen Grund für die Aufnahme von Ermittlungen. Matti und die Tochter ermitteln also auf eigene Faust. Dabei werden sie mehrfach bedroht und aufgefordert, aufzuhören, was natürlich genau das Gegenteil bewirkt. Als dann jedoch überraschend Blutspuren Gerds gefunden werden und die Tochter verschwindet, deutet alles auf Matti als Täter hin. Hat er seinen Exgenossen nach einer gemeinsam verübten Straftat beseitigt? Die WG muss also erneut ihren kriminalistischen Spürsinn beweisen. Dies tut sie letztendlich erfolgreich in einem Gestrüpp aus Relikten des 70er-Jahre Terrorismus, Stasiseilschaften und Polizeidruck. Gewohnt spannungsreich und durch historische Fakten abgesichert steuert Christian von Ditfurth seine Leser durch den Roman. Dabei wird das Ausmaß der Verstrickungen der Stasi mit der RAF deutlich, schließlich galt der Kampf ja einem gemeinsamen Feind. Deutlich wird am Beispiel der Figur Mattis auch, wie schmal der Grat zum Abgleiten in den Terrorismus war. Aus der legitimen Ablehnung der verkrusteten Strukturen in der Bundesrepublik und dem Einfluss von Altnazis sowie der Empörung über die ausgebliebene Vergangenheitsbewältigung erwächst der schrittweise Weg in die Gewalt. Matti und Gerd wollten einst durch einen Banküberfall Geld für ein Projekt der linken Szene beschaffen, Matti zögerte in letzter Sekunde, für Gerd war es der erste Schritt in den bewaffneten Kampf, dem einer verengten inneren Logik folgend, weitere schwererwiegende folgten. Das Eingeständnis der Sinnlosigkeit diese Kampfes gelingt ihm (fast zu) spät. Ein mir erst seit kurzem bekannter Skandal, namlich die Tatsache, dass ausländische SS-Leute 1944 durch einen Hitler-Erlass die deutsche Staatsbürgerschaft bekamen, was sie nach 1945 vor Auslieferung in ihre Heimatländer schützte, spielt in diesem Roman eine gewichtige Rolle und sei deshalb hier nicht unerwähnt.

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