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gwyn

Posted on 30.3.2020

«Lol», antwortet Loll. «Lol, Digga», kichert Ben. «Gib Check, Digga!» «Okay … ich glaube, ihr wollt doch nichts Süßes.» Clara zuckt die Achseln und stellt die Kaffeemaschine auf den Herd, während die Buben halb erstaunte, halb bestürzte Blicke wechseln.» «Wetehaa», raunt Ben. Der Lemming arbeitet als Nachtwächter im Zoo, früher war er mal Polizist. Es gibt bereits fünf Krimis um den Lemming, dieser sechste ist mein Erster. Er kommt nach Hause, trifft auf Sohn Ben mit seinem Freund Mario, den man Loll nennt. Im Gespräch mit den beiden stellen die Jugendsprache, das Denglisch und die Erwähnung von IT / Social-Media Vokabeln ihn vor Rätseln. Computer, Internet, Smartphones, diese Dinge liefen am Lemming bisher vorbei. Die Verständigung mit dem Jungvolk verläuft so, als spräche man verschiedene Sprachen. Gleich nach den ersten Seiten überlegte ich abzubrechen. Denn die Kommunikation, die hier verläuft ist hanebüchen. So redet kein Jugendlicher – hier sind sämtliche Jugendfloskeln in einen Satz zusammengeklaubt. Und gibt es heute Typen wie den Lemming, Vater von einem Kind, der Null-Ahnung von PC’s, Internet und Social Media hat? Ich weiß nicht wie alt der Lemming ist, aber es soll ja Männer geben, die zeugen mit 80 noch Kinder … Nun erklären die Kids dem Lemming das Internet auf banale Art. Der Lemming sitzt in der Straßenbahn, Mario daddelnd gegenüber. Als die Tür aufgeht, springt Mario aus der Bahn, rennt raus, stürzt sich von einer Brücke. Unter Verdacht steht nun der Lemmig: Er habe den Jungen unsittlich berührt, sei verantwortlich für den Suizid. Der Shitstorm bricht über ihm aus. Für die Medien ist er ein Pädophiler, er verliert seinen Job. Mario war schwacher Charakter, mit einer dicken Narbe unter der Nase, eine ehemalige Lippengaumenspalte, das typische Opfer. Er wurde von einer Gruppe Jungen übelst gemobbt, und seine Eltern engagieren sich in der Flüchtlingshilfe, unterliegen Hasskommentaren. Mobbing auf allen Ebenen, der Lemming will es nun wissen: Wer ist Schuld an Marios Tod? Mit seinem Freund Polivka ermittelt er im Fall Mario und im eigenen. Wer ist Mama77? Wir haben die umfangreichen Themen Fakenews, alternative Fakten, Socialmediabubbel, Mobbing und Yellow Press. Das ist eine ganze Menge, zumindest in dieser kurzen Form. Der Roman liest sich wie ein Sachbuch für Jugendliche, die Kriminalgeschichte fällt völlig dahinter zurück. Inhaltlich ist das flach, es wird lediglich an der Oberfläche gekratzt, den Ursachen nicht wirklich auf den Grund gegangen. Ich habe mich durchgequält, ab der Mitte nur noch querlesend vor Langeweile. An der ein oder anderen Stelle musste ich schmunzeln, aber insgesamt blieb mir persönlich der Humor fern. Hier werden Sätze gekichert, wie auch immer das funktioniert, es wird gezetert, geraunt usw., wo «sagt» die korrekte Vokabel gewesen wäre. Für wen mag dieser Krimi geschaffen sein? Für Leute, die man 1990 tiefgefroren hat und die heute aufwachen, die digitale Zeit nicht verstehen. Hier wird mit einfachen Mitteln das Internet und Social Media erklärt. Yellow Press und Mobbing gab es bereits damals. Diese Themen habe ich wesentlich besser verarbeitet gelesen. Ein Roman ist ja Geschmacksache. Dieser ging an mir völlig vorbei, wie die Netzwelt am Lemming. Stefan Slupetzky, 1962 in Wien geboren, wo er heute noch lebt, verfasst Bühnenstücke, Kurzgeschichten und Romane. Seine Kriminalromane um den Antihelden Leopold «Lemming» Wallisch wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Glauser-Preis, dem Burgdorfer Krimipreis und dem Leo-Perutz-Preis. Slupetzky ist ein Drittel des «Trio Lepschi», mit dem er als Texter und Sänger durch die Lande tourt. Er ist außerdem Mitbegründer des Vereins zur Verwertung von Gedankenüberschüssen und wirkte an der Entwicklung unverzichtbarer Gebrauchsgegenstände wie etwa des „Transzebra Portable“, eines ausrollbaren Zebrastreifens, mit.

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