Profilbild von Bris Buchstoff

Bris Buchstoff

Posted on 14.3.2020

Reine Atomdichtung Bei uns zu Hause kursiert ein running gag – „Lyrik! Davon verstehst Du nichts!“ – ausgesprochen von meinem Mann, der sich einst des nächtens mit dieser Unverfrorenheit bei mir, als studierter Literatur- und Buchwissenschaftlerin, nicht eben beliebt machte. Da es aber wie gesagt mitten in der Nacht war und auch noch nach den rauschenden Feierlichkeiten zur Eheschließung meiner allerbesten Freundin und er mich mit seinen eigenen Gedichten becirct hatte, habe ich es ihm glatt verziehen. Aber wie sagt man so schön: forgiven, not forgotten und so hat es tatsächlich auch eine Weile gedauert, bis ich mich langsam aber sicher wieder an Gedichte heranwagte. Denn tatsächlich habe ich häufig so meine Probleme mit dieser Gattung. Im Studium lernt man so einiges über Gedichte: Versfuß, Versmaß, Strophen- und Gedichtformen und was nicht noch alles. Interpretationen und Analysen waren an der Tagesordnung, mir jedoch ein Gräuel, denn mir geht es mit Lyrik wie mit der bildenden Kunst: entweder sie packt mich oder sie packt mich nicht. Daran ist nicht zu rütteln. Ich habe durchaus meine Lieblingslyriker*innen und was die Zahl derer angeht, die mich bisher überzeugen konnten, sind es vor allem Frauen, die mich mit ihrer Poesie erreicht haben: Hilde Domin, Mascha Kaléko, Emmy Hennings, Sarah Kirsch, Nelly Sachs, Dorothy Parker, Else Lasker-Schüler um mal nur die für mich wichtigsten zu nennen. Was dabei weiterhin auffällt, ist die Tatsache, dass es sich hierbei wiederum nicht um zeitgenössische Lyrik im engsten Sinn handelt und die Dichterinnen entweder aus dem englisch- oder deutschsprachigen Raum stammten. Im letzten Jahr machte in meiner sogenannten „Filterblase“ allerdings ein Lyrikband von sich reden, den ich ohne die Besprechungen auf den von mir regelmäßig gelesenen Blogs wahrscheinlich nie entdeckt hätte. Alleine der Titel ist pure Poesie: Denen zum Trost, die sich in ihrer Gegenwart nicht finden können. Lieder und Texte nennt der Isländer Ragnar Helgi Ólafsson diese sprachlichen Juwelen, die im Elif Verlag in einer wunderschönen Ausgabe nun bereits in der zweiten Auflage erhältlich sind. Lyrik eines bei uns noch eher unbekannten Isländers in zweiter Auflage – kaum zu glauben, aber glücklicherweise wahr. Vielleicht liegt es ja an der sogenannten Atomdichtung, der sich Ólafsson als einer ihrer wichtigsten Vertreter verschrieben hat. Da ich, wie eingangs schon erwähnt, keine Lyrikpäpstin bin und grundsätzlich solch schöne Texte nicht durchanalysieren und zerpflücken möchte, lasse ich ein paar Zeilen für sich selbst sprechen. NICHT IN DER ARBEITSBESCHREIBUNG oder Stellungnahme (mit Wut) Die Wirklichkeit hat angerufen, sie habe genug von den poetischen Eingriffen des Dichters in ihre Existenz. Die Wirklichkeit hat mich gebeten, dem Dichter diese Botschaft auszurichten. Ich habe aufgelegt. Ich mache mich verdammt noch mal doch nicht zum Laufburschen der Wirklichkeit. Die Gestaltung dieses wunderschönen Bandes ist auch in der deutschen Ausgabe der Originalausgabe gefolgt, so wie sie der Dichter kreiert hat. Die Leichtigkeit und der Esprit der Texte, die trotzdem auch melancholischer Stimmung sein können, werden durch die luftige Darstellung zusätzlich unterstrichen. Vielschichtig kommen sie daher und ebenso wirkt der Band in seiner Optik. Ein rundum wunderbares Buch, das tatsächlich Trost spenden kann, Wärme, Witz und Leichtigkeit ausstrahlt. Da ich selbst es nicht besser in Worte fassen kann, als: GEHT UND KAUFT UND LEST UND VERSCHENKT DIESES BUCH, möchte ich an dieser Stelle noch auf die Besprechungen verweisen, die mir diese Entdeckung beschert haben. Zu finden sind sie auf Sätze&Schätze und literaturleuchtet

zurück nach oben