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Sarang

Posted on 3.2.2020

Es ist nicht nur eine Geschichte über die reine und bedingungslose Liebe, es ist vielmehr; denn es geht auch um Freundschaft, um das, was man im Leben manchmal entbehren muss und das, was wir wirklich wollen und nicht haben können, weil die Gesellschaft dem irgendwie im Weg steht. Es ist eine Geschichte über die Gefühle, die uns jeden Tag begegnen und die wir nicht benennen können, obwohl sie uns so sehr beeinträchtigen und beeinflussen. Es ist eine Geschichte, wie flüssiges Silber... Der Inhalt: Ida Maclaird ist auf die verschlafene Insel St. Hauda's Land zurückgekehrt, weil sie ein Geheimnis mit sich herumträgt, von dem sie glaubt, dass es auf jener Insel seinen Anfang genommen hat und sie eine Lösung nur dort ergründen kann. Sie hat es alles andere als geplant, doch als sie dort Midas begegnet, bekommt sie ihn einfach nicht mehr aus dem Kopf. Den schüchternen jungen Mann, der die Schatten seines Vaters und dessen Vergangenheit einfach nicht loswerden kann und dem der Anblick der Welt so sehr zu schmerzen scheint, dass er nur durch das Objektiv seiner Kamera klar zu sehen scheint. Doch dann enthüllt er Idas Geheimnis: Ihre Füße verwandeln sich zu Glas und die Verwandlung schreitet immer weiter über ihren Körper fort. Sie beide wissen, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleiben wird, doch dass das, was sie haben, manchen Menschen nicht einmal in ihren Träumen begegnet. Und so sehen sie ihrem Schicksal entgegen, immer auf der Suche nach ihrem Inneren und ihrer Wahrheit und egal, was auch passiert, sie haben einander und die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Momente stetig in ihrem Herzen. Ein Wechselbad der Gefühle Ich gebe zu, dass ich mich ziemlich hilflos gefühlt habe, als ich „Das Mädchen mit den gläsernen Füßen“ zuklappte. Das lag wohl an meiner Traurigkeit über den Ausgang der Geschichte, denn bis zum Ende konnte ich nicht anders, als zu hoffen... (Ich glaube, ich hoffe sogar jetzt noch). Obwohl es in mir soviel Trauer hervorrief, erzeugte es andererseits glückliche Gefühle, weil ich von Anfang bis zum Ende so unglaublich gebannt von dem war, was in „Das Mädchen mit den gläsernen Füßen“ geschah. Dabei passierte nicht einmal sehr viel, zumindest nicht an Taten, aber an Gefühlen. Denn wirklich, Ali Shaws Werk ist ein einziges großes Gefühl, was alle nur erdenklichen Emotionen abdeckt. Es ist schon magisch, wie man mit bloßen Worten eine so zerbrechliche und wunderschöne Liebesgeschichte untermalen kann, die beim Leser selbst ein Wechselbad der Gefühlen hervorruft. Zersplitterndes Glas Fasziniert haben mich dabei zusätzlich die unterschiedlichen Facetten, die mal zart zu glitzern schienen, im Licht funkelten und dann kräftig wie Glas auf dem Boden zersplitterten und in diesen Splittern brach sich erneut das Licht, um es zu reflektieren. Das heißt, dass aus einer gestorbenen Hoffnung eine neue entstand; wie eine Kettenreaktion, dass jede Entscheidung und Handlung eine Reaktion hervorruft. Ali Shaw hat die Figuren, die den Plot trugen, abwechselnd zu Wort kommen lassen, dabei erzählten sie in der Zeitreihenfolge, in der sie bereit waren ihre Vergangenheit oder ihren Kummer zu verarbeiten. So sprang man von der Gegenwart in die Vergangenheit, von einem Charakter zum nächsten und wieder zurück, wodurch das Tempo beständig stieg und ich mich in „Das Mädchen mit den gläsernen Füßen“ zu verlieren glaubte. Gegenwart und Vergangenheit miteinander vereint Ali Shaw schuf interessante Verwicklungen und Parallelen und beinahe musste ich über den Galgenhumor lachen, den diese bekannte „Ein Dorf schweigt alles tot“ Thematik beinhaltet. Denn auf der kleinen Insel St. Hauda's Land gibt es so wenig Bewohner, die nicht über die essentiellen Dinge in ihrem Leben reden, die aber alle etwas aus ihrer Vergangenheit zu verbinden scheint und dennoch schweigen sie und lassen es zu, dass ihre Nachkommen noch immer in dem Sud kochen, den sie einst fabrizierten. Dieser Autor hat mich viel zum Nachdenken gebracht, denn seine Andeutungen sagten mir mehr, als zigfache Beschreibungen es gekonnt hätten. Dieser Roman erweckt in mir den Eindruck von Perfektion, was sich auf alle nur erdenklichen Aspekte bezieht. Es beginnt schon mit dieser atemberaubenden Gestaltung, die Großes andeutet und ihr Versprechen sogar übertrifft. Mein endgültiges Urteil: Ich weiß nicht, ob jeder mit diesen wunderschönen Charaktere, die von einer tragischen Geschichte gezeichnet werden, etwas anfangen kann, aber man würde vielleicht das Buch seines Lebens verpassen, wenn man es nicht wenigstens einmal versuchte und was würde man schon verlieren, außer sich selbst die beste und nur erdenklich melancholischste Geschichte vorzuenthalten? Also versucht es unbedingt, denn dieses Buch ist so ganz anders, als alles, was ich bisher gelesen habe. Sprachlich brillierend und wunderschön wie fallende Regentropfen. „Das Mädchen mit den gläsernen Füßen“ ist für mich berührend sowie atemberaubend und gehört bereits jetzt zu meinem absoluten Favoriten in diesem Jahr!

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