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gwyn

Posted on 12.5.2019

Der Anfang: »Es gibt drei Arten von Gefühlen beim Lesen eines Drehbuchs: Langeweile, Interesse und ›Wow!‹. Ihr Job als Drehbuchautor ist es, das Wow-Gefühl auf so vielen Seiten wie möglich herzustellen.« Um es gleich vorwegzusagen, dies ist ein besonders gutes Handbuch für Autoren, voller dramaturgischer Werkzeuge – nicht nur für Drehbuchautoren. Denn vieles was für die Entwicklung eines Drehbuchs gilt, das hat auch Bedeutung für Buchautoren. Emotionen tragen einen Film, einen Roman. Und dieses Buch hat viel mehr zu bieten, als sein Titel vermuten lässt. Zuerst geht es natürlich um Gefühle, die »drei erzählbaren Gefühle«: »Voyeuristische Gefühle, nachempfundene Gefühle, instinktgesteuerte Gefühle«. Am Anfang gibt Karl Iglesias Tipps, wie ein Drehbuch auszusehen hat um eine Chance zu haben, warum eins abgelehnt wird, ein anderes angenommen wird, wie man Ideen findet, einen Aufhänger, das Thema freizulegen. »Zweifellos sind die Figuren das wichtigste Element des Geschichtenerzählens. Ohne Figuren keine Geschichte. Uns interessiert nicht was passiert, sondern wem es passiert.« Karl Iglesias rät von statischen Figurendatenblättern ab, das gefällt mir gut, denn schnell werden daraus Klischees. Stelle deinen Figuren Fragen, so sein Rat. Hier beschreibt er 4 Grundtypen: »der Held, der Durchschnittstyp, der Underdog, die verlorene Seele«, hat man die definiert, geht es zu den Zielen der Figur und zu den sechs Arten, eine Figur darzustellen, Techniken, die Attraktivität und Empathie der Figur zu finden. »Wenn Sie Ihre Prämisse und Ihre Hauptfigur entwickelt haben, dann solle Ihre Geschichte in groben Zügen stehen.« Und nun geht es weiter zur Entwicklung der Story, zum Konflikt. Was ist eine Story? Hier zitiert Iglesias Frank Daniel (und auch andere) in Kurzform: »Eine Figur, die etwas will und ein Problem hat, es zu bekommen.« So kann man es auf den Punkt zusammenfassen. Das Handwerk besteht darin, den Leser von Anfang an zu fesseln und ihn unterwegs nicht zu verlieren. Hier behandelt der Autor kurz verschiedene Dinge wie Neugier, Spannung, Bestürzung, Vergnügen usw., die zur Gestaltung einer Grundspannung nötig sind. »Es ist wirklich bemerkenswert, das das simple Konzept des Geschichtenerzählens die meisten Debatten ausgelöst hat.« Kapitel 7 ist kurz, es beschreibt den Dreiakter in seiner Bedeutung. Dann geht es an die Szene, denn jede Szene ist eine Minigeschichte, muss als solche gestaltet werden. Beschrieben werden die drei Arten von Szenen: Expositionsszenen, spektakuläre Szenen, dramatische Szenen, es folgen »die zwölf Schlüsselelemente einer dramatischen Szene«. Die dramatischen Szenen benennt Iglesias als das Herzstück einer Geschichte – den Konflikt – was ja nicht heißt, dass hier gekämpft und gestritten wird. Diese Szenen haben eine emotionale Wirkung und treiben die Handlung voran. »Was jetzt folgt, sind erprobte dramatische Techniken und Tricks des Gewerbes, die angewandt werden, um Leben in ansonsten flache Szenen zu pumpen. Das bedeutet nicht, dass alle Szenen großartig sein müssen – aber je mehr faszinierende Szenen Sie haben, desto besser.« Sehr ausführlich werden nun die Themen Szenen und Dialog behandelt, die Technik »Actor’s Studio«, der Konflikt, konfliktfreie Szenen zur Entspannung im Geschehen, 25 Techniken für die emotionale Wirkung eines Dialogs, die eine Menge Beispiele enthalten. Für mich ist dies eins der besten Bücher, das zum Thema »Schreiben« herausgegeben wurde. Emotionen gehören zum Schreiben, fast in jeden Absatz, zumindest in jede Szene. Somit deckt dieses Buch den gesamten Schreibprozess ab. Zuerst steht eine Figur, vielleicht eine Idee – dazu braucht es die passende Figurenbesetzung – ein Casting für die Idee. Ohne Protagonisten keine Story. Mir gefällt es sehr gut, dass sich hier detailliert über die Entwicklung von Figuren ausgelassen wird, ihre Wichtigkeit herausgestellt wird. Auch rät Karl Iglesias von diesem üblichen Charakterblatt-Zirkus ab, von dem ich auch nichts halte, bis auf die Äußerlichkeiten von Nebenfiguren, damit man 100 Seiten weiter noch mal nachblättern kann, und sich Augen- und Haarfarbe in Erinnerung ruft. Lebenslauf, Backstory, ob man sie verwendet oder nicht, Fragen an die Figur, um den Charakter herauszuschälen, dazu ein paar grundsätzliche dramaturgische Elemente zum Thema Charakter werden hier erläutert. Glücklicherweise fehlen auch die sogenannten Archetypen, die schnell zu einer klischeehaften Figur führen (was nicht bedeutet, dass Archetypen schlecht sind). »Sich mit der Figur verbinden«, Neugier beim Leser wecken, Empathie wecken, alles wichtige Dinge, die beim Entwickeln eines Protagonisten wichtig sind. Niemand ist stets gut, niemand durchweg böse – Klischees vermeiden. Und wenn wir weitergehen, um die Story zu entwickeln, Spannung aufbauen, dann sind wir schon wieder bei der Figur. Dramaturgie, was ist eine dramatische Geschichte? »Geschichte (Story) versus Handlung (Plot)«, die Figur hat einen Konflikt, Emotionen spielen eine große Rolle, Veränderung, Subtext, Exposition, wichtige Elemente. Nun liegt ja fast jeder Story ein Dreiakter zugrunde (auch wenn es 5, 7 oder 12 sind), doch auch hier arbeiten wir mit Emotionen: kurz angerissen über 15 Seiten. Die Heldenreise fehlt. Danke an den Autor. Intensiv wird Szenenaufbau und Stil behandelt und das Thema Dialog erhält einen ausführlichen Teil. Die Anschaffung dieses Buchs lohnt sich, ein rundum für meine Begriffe sehr gutes Lehrbuch, das in jeden Autorenschrank gehört. Was würde ich noch empfehlen? Mein Lieblingsbuch: »Über das Schreiben« von Sol Stein, gleich daneben »Das Drehbuch«, zwei Bücher gleichen Namens von Sid Field und C.P. Hand und natürlich »Das Buch zum Drehbuch« von Linda Seger. Warum ich Drehbuchautoren empfehle? Weil die Technik, Figuren zu entwickeln, einen Plot zu erarbeiten, immer die gleichen sind, ob Drehbuchautor oder Romanautor. Die Schreibtechnik unterscheidet sich gewaltig, denn dort wo der Romanautor seine Worte spielen lässt, benutzt das Drehbuch, der Film, die Kamera, der Schauspieler Gestik und Mimik. Die Kunst des dramaturgischen Schreibens ist wieder ein anderes Thema. Aber bevor man anfängt zu schreiben, sollten zunächst die wichtigsten Protagonisten aufgestellt sein, die Plotplanung im Groben stehen. Und hierfür eignet sich das Buch von Karl Iglesias hervorragend. »Ich glaube an Werkzeuge, nicht an Regeln. Ich kann Ihnen zeigen, was in großartigen Drehbüchern funktioniert, wie fähige Autoren die Aufmerksamkeit des Lesers wecken und sie von Anfang bis Ende halten – mit einer großen Bandbreite von instinktgesteuerten Gefühlen über die gesamte Geschichte hinweg. Die einzige wichtige Regel ist, dass Ihr Drehbuch funktioniert. Mit anderen Worten: Es muss die Gefühle des Lesers erreichen. Das ist die einzige Regel in Hollywood, die keine Ausnahme duldet. Regeln, Prinzipien und Formeln handeln davon, was man machen muss. Handwerk und Techniken handeln davon, wie man es möglichst effektiv macht. Keine Seitenangaben – nur die grundlegen Werkzeuge des Geschichtenerzählens. Packen Sie sie in Ihren Werkzeugkasten und benutzen Sie sie nach Bedarf.« Karl Iglesias ist Drehbuchautor, Script Doctor, Drehbuchberater und vor allem beschäftigt er sich mit Emotionen für Drehbücher. Er arbeitete als Analytiker für Produzenten, als Dozent und Drehbuchberater. Er unterrichtet außerdem im Bereich Drehbuch des Autorenprogramms der University of California Los Angeles (UCLA) und bei der Screenwriters University. Seit vielen Jahren ist er »Star Speaker« bei der »Screenwriting EXPO« in L.A., und erschreibt regelmäßig Kolumnen für das Branchenmagazin »Creative Screenwriting«.

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