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Ladybug

Posted on 2.9.2022

Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag Nachdem der 18jährige Emmett Watson aus Salina entlassen wird, will er nur noch nach Hause, die Farm seines verstorbenen Vaters der Bank überschreiben, sein Auto und seinen kleinen Bruder abholen und ein neues Leben ganz woanders beginnen. Doch Billy will sich auf die Suche nach ihrer Mutter machen, die acht Jahre zuvor verschwunden ist und ihnen neun Tage lang jeweils eine Postkarte geschickt hat. Billy ist sich sicher, sie in Kalifornien zu finden. Doch dann tauchen zwei Freunde aus Salina auf und wollen mit den Jungs nach New York. Und Duchess weiß, wie er seinen Willen durchsetzt – so starten die vier in ein unglaubliches Abenteuer, das jeden einzelnen von ihnen unabhängig voneinander in große Gefahr bringt, aber auch voller wunderbarer Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen ist. Um es gleich vorweg zu nehmen – dieses Geschichte ist wohl die beste, die ich in den letzten zwanzig Jahren genossen habe! Kein Wunder, dass der Autor daran viele Jahre gearbeitet hat. Diese Liebe und Sorgfalt merkt man dem Ergebnis an. Dennoch ist sie voller Leichtigkeit, auch in schweren Situationen und Momenten. Sie ist voller Liebe, voller Güte, voller Weisheit. Kaum ein Satz ist einfach nur ein Satz oder irgendwie banal. Hier reiht sich ein bemerkenswerter, wunderbarer Satz an den nächsten und dennoch ist das nicht erschlagend oder übertrieben. Die Figuren sind jede einzelne klar gezeichnet, ohne viele Worte zu verbrauchen. Man weiß sofort, um wen es sich gerade handelt, weil sie alle so klar zu erkennen sind, als stünden sie vor einem. Gerade Duchess macht es einem nicht leicht, seine Eskapaden zu ertragen, aber er schafft es, alles sehr logisch zu erklären und man muss neidlos anerkennen: seine Logik hat was! Sie ist in sich stimmig, obwohl der „Normalo“ nur den Kopf schütteln kann und verzweifelt versucht, Duchess klarzumachen, dass es so einfach nicht geht. Woolly geht einem schnell ans Herz und Billy möchte man direkt adoptieren. Auch Emmett hat seine Fehler, aber sehr viel mehr gute Seiten. Die vier zusammen sind schon der Hit, doch tauchen noch mehr Figuren auf und jede einzelne ist ein Unikat! Auch wenn viele Klischees bemüht werden, ist tatsächlich keine Stelle überzogen. Die Welt und das Geschehen mit Billys Augen zu betrachten macht so reich – und kann trösten und Kraft geben. Der Autor lehrt einen, nie Vorurteile zu fällen und ganz genau hinzusehen. Die gesamte Sprache ist einzigartig, fast märchenhaft, aber zweifellos beschreibt sie die damalige Zeit und Situation sehr exakt. Trotzdem ist alles auch sehr aktuell, also zeitlos. Amor Towles hat einen interessanten Stil gewählt. Man erfährt aus mehreren Perspektiven die Geschehnisse. So überschneiden sich manchmal die Sichtweisen, wodurch tatsächlich ein klare, fast schon dreidimensionales Bild entsteht. Teils ist die Ichform gewählt, teils wird aus Sicht des jeweiligen Protagonisten erzählt. Noch dazu werden die Kapitel in einem Countdown gezählt, also rückwärts. Alles zusammen ergibt ein Meisterwerk, wie es nur ganz selten auf den Markt kommt. Ein Kleinod, das unter die Haut geht und in der Seele ganz lange nachhallt. Ich habe jedes Wort inhaliert und bin komplett begeistert. Ohne Frage: Fünf Sterne!

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