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Buchdoktor

Posted on 19.7.2022

Worum geht es Als Andreas Schäfer sein Einverständnis geben soll, die künstliche Beatmung seines Vaters abzustellen, zwingt ihn das zur Auseinandersetzung mit einer schwierigen Persönlichkeit. Inhalt Andreas Schäfers Vater erleidet mit 81 Jahren während eines Krankenhausaufenthaltes eine Stammhirnblutung, die unabhängig vom Tumorrezidiv auftritt, das untersucht werden sollte. Der Patient ist in ein künstliches Koma versetzt worden. Den Vater „gehen zu lassen“ liegt nun in der Hand des älteren Sohnes, der aus Berlin anreist. Der behandelnde Arzt nennt den Zustand des Vaters betont nicht „leben“, sondern „im Koma verharren“. Schäfers Eltern leben seit Jahren getrennt, seine Mutter ist zufällig gerade aus Griechenland zu Besuch. Der jüngere Sohn wird wegen seiner psychischen Erkrankung mit dem bevorstehenden Tod des Vaters nicht belastet. Andreas Schäfer durchlebt noch einmal die Beziehung zu seinem - schwierigen - Vater. 1936 geboren und Sohn einer Metzgerfamilie, wurde Vater Robert Schäfer als kleines Kind aus Berlin in relative Sicherheit zu einer Tante gebracht. Eine Entscheidung, die vermutlich nicht nur mit der Berufstätigkeit der Mutter im Metzgerladen zu begründen war. Da die Metzgerei als kriegswichtiger Betrieb galt, lebten Andreas Schäfers Großeltern bis zur Zerstörung ihres Betriebs durch einen Bombenangriff ein privilegiertes Leben im Wohlstand. Den Vater des Autors als traumatisiertes Kriegskind zu sehen, fällt mir schwer vor der Folie der Epoche von Krieg, Vernichtung und Vertreibung. Andreas Schäfers Vater wird von seinen Eltern verstoßen und enterbt wegen seiner Heirat mit der Mutter des Autors, die aus Griechenland stammt. Vater Schäfer muss (als Sohn eines autoritären Vaters) ein nachtragender, rechthaberischer Mann gewesen sein, ohne Sinn für Zwischentöne, so dass seine Frau und seine Söhne ihn nur aus der Ferne ertragen konnten. Fazit Andreas Schäfers Auseinandersetzung mit seinem Vater bietet hochinteressanten Einblick in Deutschlands Wirtschaftswunderjahre und die Auswirkungen des Nationalsozialismus noch bis auf die privilegiert aufgewachsenen Enkel-Generation, die des Autors. Schäfers Vater als Opfer einer schwierigen Kindheit zu sehen, ist mir beim Gedanken an seine weniger privilegierten Altersgenossen allerdings schwergefallen. Zur Lösung aus der Herkunftsfamilie gehört m. A. auch das Einordnen der Eltern in prägende Werte ihrer Generation. Das Loslassen seines Vaters lässt Schäfer mehr als nur das sehen, was der Vater seinen Söhnen nicht geben konnte, und sich selbst in ihm erkennen.

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