Profilbild von anni_anushka

anni_anushka

Posted on 13.7.2022

Inti Flynn ist Wissenschaftlerin und ihr Lebensziel ist es, Wölfe wieder in ehemals heimischen Gebieten anzusiedeln. Sie ist diesem Ziel greifbar nah, denn sie darf diesen Versuch im schottischen Hochland wagen. Sie weiß, dass die Wölfe für das Ökosystem unerlässlich sind. Doch das sehen bei Weitem nicht alle so. Und Inti ist unnachgiebig und eigensinnig. Im Umgang mit Menschen ist sie eher ungeschickt und so macht sie sich schnell die Schafbauern zu Feinden und somit auch zu Feinden "ihrer" Wölfe. Als ein Bauer stirbt, sehen sich die Kritiker bestätigt und die Jagd auf die Wölfe ist eröffnet. Doch war es wirklich ein Wolf oder treibt etwas oder jemand anderes sein Unwesen? In den letzten Jahren hat sich ein neues Genre etabliert, die sogenannte "Climate Fiction". Und auch das sogenannte "Nature Writing" hat wieder neuen Auftrieb bekommen. "Wo die Wölfe sind" ordnet sich gut in beide Genres ein und ist für Fans von Maja Lunde, aber vor allem auch dem ersten Band von McConaghy ("Zugvögel") sehr empfehlenswert. Die Handlung ist spannend und die Natur- sowie Tierbeschreibungen sind liebevoll und detailliert. Dennoch wird die Wildheit nie unterschlagen und es wird deutlich geschildert, dass es sich hier um Raubtiere und keine Maskottchen oder Kuscheltiere handelt. Die Protagonistin ist nicht gefällig. Sie ist eigenbrötlerisch, aufbrausend, unvernünftig und undiplomatisch. Der Handlungsstrang um ihre persönliche Geschichte macht deutlich warum. Denn es gibt viel Dunkelheit in Intis Vergangenheit, die sie den Menschen misstrauen und sich mehr den Tieren zuwenden lässt. An dieser Stelle die Warnung, dass dieses Buch bei Weitem nicht (natur)romantisch ist, sondern auch verschiedene Formen von Gewalt beinhaltet. Ich hätte dieses Buch noch besser gefunden, wenn es mehr bei der wahren Natur der Tiere und der Beziehung zwischen Tier und Mensch geblieben wäre, doch es gibt eine Reihe an Nebenschauplätzen, die zwischenzeitlich die Oberhand gewinnen und teilweise etwas zu dick aufgetragen sind. Das thrillerhafte Ende hätte ich nicht gebraucht; das hat mir den Zauber dieser rauen und wilden Natur etwas zerstört. Dass der Wolf in dieser Geschichte nicht das wildeste Wesen ist, hätte ich auch so anhand der anderen Ereignisse überzeugend gefunden. Auch Intis Mirror-Touch-Syndrom wirkte etwas fehlplatziert, wobei es natürlich eine gute Möglichkeit war, den Wölfen sehr nahe zu kommen und quasi über Intis Syndrom die Hand in deren Fell zu versenken und viel Empathie mit den Tieren zu entwickeln. Dennoch hat das einen weiteren, vielleicht unnötigen Nebenschauplatz aufgemacht. Insgesamt fand ich diese Geschichte jedoch fesselnd, konnte mich kaum lösen und bin oft in dieser rauen Natur versunken. Gleichzeitig konnte ich das Unwohlsein in einer Landschaft nachvollziehen, in der nun wieder größere Raubtiere umherstreifen. Den Konflikt zwischen Mensch und Tier konnte ich durch diesen Roman sehr gut nachvollziehen und stellte mir selbst oft die Frage, ob das gutgehen kann. Dennoch hat mich das Plädoyer der Autorin in Form dieses Buches überzeugt, das Wilde wieder weniger zu fürchten und sich von einer sterilen Natur abzukehren und in sich selbst mehr Wildheit zu wagen oder zumindest zuzulassen und so der urtümlichen Natur wieder einen Platz in dieser Welt zu gewähren.

zurück nach oben