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Fina

Posted on 24.6.2022

Gestaltung: Bei diesem Buch finde ich einen Coververgleich des Originals und der deutschen Übersetzung sehr lohnend. Während das englische Original durch das dunkle Rot, Santa Muerte im Hintergrund und die beiden ernst dreinblickenden Jungen eher etwas düsteres, erwachseneres ausstrahlt, wirkt unsere deutsche Version dagegen eher verspielt. Hier wurden Elemente des Dia de muertos aufgegriffen, die man schon mal gesehen hat: Bunt verzierte Totenschädel und Blumen. Aber auch einige Symbole, die direkt mit der Geschichte zu tun haben, tauchen hier knallbunt auf dem schwarzen Grund auf. Ich finde beide Interpretationen sehr interessant, bevorzuge aber das Originalcover. Darum geht's: Yadriels größter Wunsch ist es, von seinem Vater und dem Rest der brujx Gemeinde des Friedhofes endlich als brujo anerkannt zu werden. Da Yadriel trans ist und die anderen glauben, ihm fehlen die Eigenschaften, ist ihm das bisher verwehrt geblieben. Doch als er seine Zeremonie auf eigene Faust vollzieht, holt er aus Versehen einen jungen Mann zurück. Julian weiß nicht, wie er gestorben ist oder was er in der alten Kirche des Friedhofes zu suchen hatte. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach seiner Leiche und kommen dabei nicht nur der Wahrheit näher... Idee/ Umsetzung: Dieses Buch bringt eine ganz besondere Mischung an Themen mit, sodass es mir schwerfällt, das Buch überhaupt in eine Genre-Kategorie zu stopfen. Durch die Idee der brujx und Geister auf dem Friedhof hat es eine übernatürliche Komponente, die ich aber nach wenigen Seiten als gegeben hingenommen habe, ohne dass ich weiter darüber nachgedacht habe. Ich konnte mich sehr gut in den Glauben der südamerikanischen Kulturen einfühlen und habe mich auf den Dia de muertos und das Wiedersehen mit den Toten gefreut. Die Annäherung zwischen Yadriel und Julian spielt ebenfalls eine große Rolle, wobei auch diese eher zart eingewoben wird und nicht zu sehr in den Vordergrund drängt. Zudem ist Yadriels trans Identität und Julians Homosexualität ein wichtiges Element der Geschichte und wirft Fragen nach Zugehörigkeit, familiärem Rückhalt und Geschlechteridentitäten auf. Ihr seht schon, es ist eine bunte Mischung aus verschiedensten Themenbereichen, die für mich wunderbar harmoniert haben und das Buch zu etwas ganz besonderem machen. Schreibstil: Beginnen wir mit dem Schreibstil. Ich hatte wirklich Sorge, dass mich die spanischen Begriffe, die hier in kursiver Schrift immer wieder auftauchen, vielleicht aus dem Lesefluss bringen könnten. Ich kenne mich nicht besonders gut mit den hier angesprochenen kulturellen Einflüssen aus und spreche kein spanisch, sodass mir all diese Erzählungen neu waren. Glücklicherweise konnte ich diese Einblicke in eine andere Welt total genießen, ohne dass mich meine Unwissenheit darüber ins Stolpern gebracht hätte. Einige Begriffe und Sätze auf Spanisch habe ich nachgesehen, andere haben sich aus dem Zusammenhang ergeben. Ich habe das als atmosphärisches Stilmittel wahrgenommen, das der Autor perfekt dosiert eingesetzt hat. Ansonsten ist die Sprache sehr leicht und locker, sodass ich das Buch zügig durchgelesen habe. Figuren: Die Geschichte hat zwar einen dynamischen, interessanten Handlungsverlauf, da es auch um die Aufklärung von Julians Tod und das Hinfiebern auf den Dia de muertos geht, war für mich aber eher charakterbasiert. Ich fand es sehr spannend, Yadriel im Prozess seiner trans Identität zu begleiten und erstmals mit Dingen wie Bindern und der Problematik des Pronomen Wechselns konfrontiert zu sein. Es wurde deutlich, wie schmerzhaft es sein muss, wenn die eigene Familie dies nur halbherzig akzeptieren kann und immer mal wieder Kommentare dazu gemacht werden, dass Yadriel "immer ihr kleines Mädchen sein wird". Doch auch Julian ist ein ganz interessanter Protagonist, der erstaunlich schnell mit seinem Tod umgehen kann, einen tollen Humor mitbringt und in Kombination mit Yadriel für viele lustige, aber auch gefühlvolle Szenen gesorgt hat. Ihm bin ich nicht ganz so nah gekommen wie Yadriel, da die Geschichte hauptsächlich aus Yadriels Sicht erzählt wird, doch die Annäherung der beiden war hier sehr gut gelungen und nicht zu überstürzt. Maritza muss hier auch noch erwähnt werden, die für die zwei der Fels in der Brandung war und mich mit ihrer kecken, selbstbewussten Art sehr begeistert hat. Obwohl recht viele Figuren eingeführt werden, sind die wichtigsten wunderbar ausgearbeitet und nur einige Randfiguren bleiben etwas blasser. Hier ist dem Autor eine gute Fokussierung auf die wesentlichen Figuren und ihr Innenleben gelungen. Ende: Zur Handlung sage ich nicht allzu viel, es lohnt sich, sich hier fallen zu lassen und alle Wendungen mitzuerleben. Das Ende ist mein einziger größerer Kritikpunkt, da mir dort auf so wenigen Seiten alles etwas überstürzt vorkam und durch die überschlagenen Ereignisse nicht nur Erklärungen, sondern auch Emotionen auf der Strecke blieben. Ansonsten habe ich jede Seite des Buches sehr genossen und Yadriel und Julian werden mir gedanklich noch nachhängen. Fazit: Ich bin so froh, dass die "Cemetery Boys" nun auch in deutscher Übersetzung bei uns erhältlich sind, denn bei diesem Buch kann ich den Hype mal wieder absolut nachvollziehen. Wir haben es mit einer außergewöhnlichen Themenvielfalt zu tun, das Buch ist ein Vorreiter in Sachen LGBTQIA+ und eine zarte, berührende Liebesgeschichte. Ich kann diesen Schmöker jungen wie älteren Leser*innen absolut ans Herz legen und wünsche euch einen fantastischen Dia de muertos mit Yadriel und Julian!

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